Alles Volk freute sich über alle herrlichen Taten,
die durch Jesus geschahen.
Lukas 13,17

Einen Satz lang ist im Lukasevangelium alles in Butter.
Schlichtweg alles Volk freute sich angeblich über alles
Grossartige, was Jesus tat. Wir brauchen sie, diese Momente
der gemeinsamen Identifikation mit dem Guten, diese Stunden
der kollektiven Freude. Mein Schwiegervater erzählte
vom Tag, als der Krieg zu Ende war und Menschen in der
Altstadt zusammen tanzten; eine Kellnerin riss ihn, den Jüngling,
einfach mit. Oder: Mich beeindruckte die solidarische
Verbundenheit, die ausgelassene Freude, die mir dieses Jahr
am feministischen Streik von Zehntausenden schönen, entschiedenen
Menschen entgegenkam.
Aber die Beschreibung solcher Eintracht vermag Lukas im
Bibeltext nur diesen Satz lang durchzuhalten. Sie ist Wunschvorstellung,
Utopie, flüchtige Erfahrung, vielleicht nur rasch
zusammengekleisterte Gemeinsamkeit. Im Satz davor ist
von «allen Gegnern» von Jesus die Rede, die nicht tolerieren
wollten, dass er am Sabbat Menschen aufrichtete. Und
am Ende des Kapitels ist von Jerusalem als Ort des Leidens
die Rede. Bald wird sich dieses «alles Volk» resigniert, duckmäuserisch
und kleingläubig verzogen haben.
Dazwischen steht immerhin der Satz, der das Reich Gottes
mit einem kleinen Senfkorn vergleicht – aber halt nicht mit
einem grossen, revolutionären Volksfest.

Von: Matthias Hui