Schäme dich nicht, denn du sollst nicht
zum Spott werden.
Jesaja 54,4

So geht göttliche Seelsorge! Das stolze Israel ist am Boden
zerstört, entehrt und verlassen. Die Unfruchtbare, die von
ihrem Mann verstossen wurde, die Witwe oder die untreu
gewordene Ehefrau – sind Bilder für Israel als «Braut Gottes».
Sie nehmen das Gerichtswort auf, dass sich Gott von seinem
Volk «scheidet», und wenden sie in eine Liebes- und Treueerklärung.
«Denn der dich gemacht hat, ist dein Mann […]
Denn Gott hat dich zu sich gerufen wie eine verlassene und
von Herzen betrübte Frau; und die Frau der Jugendzeit, wie
könnte sie verstossen bleiben!, spricht dein Gott.» (Vers 5 f.)
So geht göttliche Seelsorge!
Gott beschämt nicht, Gott schützt vor Spott und Hohn
und erinnert an sein Ja zu Israel. Ist es verwegen, bei diesen
Worten auch an die Kirche zu denken? Fast täglich lesen
wir von den unsäglichen Missbräuchen, die es in der Kirche
gegeben hat und die von den Verantwortlichen vertuscht
wurden. Es ist beschämend. Aber das Verrückte an diesen
Verbrechen ist, dass sich die Opfer schämen. Also sind sie es,
die zuerst das Gotteswort hören sollen. Sie wurden entehrt.
Sie sind es, denen Gerechtigkeit widerfahren muss. Dann,
aber wirklich erst dann, hören auch die reuigen Täter das
Wort der Gnade. Es muss ein Ende der Beschämung geben
– auf beiden Seiten. Aber es muss klar sein, wie der Prozess
der Heilung beginnt.

Von: Ralph Kunz