Gott weiss, was in der Finsternis ist, und bei ihm
wohnt das Licht.
Daniel 2,22

Licht und Finsternis: in biblischer und überhaupt in religiöser
Sprache eine der verbreitetsten Metaphern – so verbreitet,
dass sie manchmal schon eher abgegriffen wirkt. Entsprechend
habe ich vom Stossseufzer eines Pfarrers gehört, von
seiner Reaktion auf den Ratschlag, er solle halt zu Beginn
der Adventszeit irgendetwas über das Licht predigen: «Ach,
immer dieses … Licht!» (auf das Adjektiv, das er noch hinzugefügt
hat, verzichten wir hier …). Das ist alles schon so
vertraut, dass der Informationswert einer Predigt gegen null
geht, und auch über unseren Losungstext könnten wir rasch
hinweggehen: klar, alles bekannt.
Aber vielleicht gibt es da doch noch etwas anderes herauszulesen,
wenigstens als einen Gedanken im Hintergrund. Es
«ist» nämlich etwas drin in der Finsternis, und da bleibt es
einstweilen auch, aber Gott weiss darum. Dieses Etwas ist
nicht bei Gott; bei ihm wohnt ja das Licht. Es ist aber auch
nicht in der hoffnungslosen Gottferne. Gott weiss darum,
Gott behält es im Auge, Gott vergisst es nicht. Erfahrungen
von Finsternis gibt es – weiss Gott – genug, mehr als genug.
Mit dem Hinweis auf das Licht, das bei Gott ist, verschwinden
sie nicht einfach. Sehr oft muss es darum gehen, die Finsternis
auszuhalten. Dass Gott unsere Finsternis erhellt, steht
als Hoffnung am Horizont, aber es kann und muss manchmal
schon genügen, dass er um sie weiss und wir dies wissen.

Von: Andreas Marti