Werdet nicht träge, sondern tut es denen gleich, die
durch Glauben und Geduld die Verheissungen erben.

Hebräer 6,12

Aller Anfang, sagt der spanische Mönch und Mystiker Johannes
vom Kreuz (1542–1591), ist süss: «Wenn sich ein Mensch
dem Dienst Gottes zuwendet, verwöhnt ihn Gott, wie es
eine liebevolle Mutter mit ihrem Kind macht.» Doch dann
lässt die Mutter das Kind «von ihrem Arm herab und stellt
es auf die eigenen Füsse». Statt süsser Milch gibt es fortan
«Brot mit Rinde» zu essen.
Das ist der Eintritt in jenen Bereich, den Johannes vom Kreuz
die «dunkle Nacht» nennt. Wer an dieser Pforte stehenbleibt,
ist, in der Sprache des Hebräerbriefs, «träge» geworden,
stumpf, faul.
Es gilt weiterzugehen, immer weiter.
Das meint der Hebräerbrief mit seiner typischen Konzeption
von Glauben und Geduld. Unterwegs vollzieht sich ein
Prozess der Befreiung von Gier und Anhaften an Reichtum,
Ehre, Anerkennung, Genuss. Die Nacht, sagt Johannes vom
Kreuz, führt «viel sicherer als die Mittagsglut» in die eigene
Tiefe, die nichts anderes ist als die Tiefe Gottes. In der Sprache
des Hebräerbriefs: Der Wüstenweg führt ins verheissene
Land, das die Seele einst erben wird, wenn sie – geläutert,
gereinigt, befreit und geheilt – heimkehrt.

Von: Andreas Fischer