Du hast mir meine Klage verwandelt in einen Reigen,
du hast mir den Sack der Trauer ausgezogen und mich
mit Freude gegürtet.
Psalm 30,12


Genau dafür liebe ich die Psalmen: Weil sie einem manchmal so
überbordend euphorisch Worte einflössen können, als wären
sie ein Elixier, um uns glücklich zu machen. Kein Wunder, ist
Psalm 30 Bestandteil des täglichen jüdischen Morgengebets,
des Schacharit. Das tägliche Aufwachen zu verbinden mit der
Hoffnung auf Wandel, Umkehr oder einfach einen Neuanfang,
kann stärker wirken als der erste Espresso oder Fruchtsaft.
Der jüdische Gelehrte Maimonides, der im 17. Jahrhundert
den Vorschlag machte, Psalm 30 in das Morgengebet aufzunehmen,
hatte wohl die suggerierende Kraft dieser Sätze erkannt.
Er empfahl, sie «langsam und mit leidenschaftlichem Optimismus
» zu singen – als Vorbereitung auf alles, was noch kommt.
Wieso also den Tag mal nicht nur mit Koffein oder Vitaminen
beginnen, sondern einem Boost an Optimismus und Begeisterung,
welche Psalm 30 oder andere berührende Verse in uns
wecken?
Ich denke an eines meiner Lieblingslieder: «Morning has broken
» von Cat Stevens. Die erste Strophe dieses Songs hat eine
vergleichbar erweckende Kraft wie Davids Psalm:
Morning has broken like the first morning
Blackbird has spoken like the first bird
Praise for the singing, praise for the morning
Praise for them springing fresh from the world

Der Morgen ist angebrochen, wie der erste Morgen
Die Amsel hat gesprochen, wie der erste Vogel
Gelobt sei ihr Gesang, gelobt sei der Morgen
Gelobt seien sie, wie sie frisch und munter springen.

Von: Esther Hürlimann