Kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es
ist alles bloss und aufgedeckt vor den Augen dessen,
dem wir Rechenschaft geben müssen. Hebräer 4,13

Dieser Satz des Paulus ist wohl eine der biblischen Vorlagen
für den Ausspruch, den ich früher in der Sonntagsschule
gehört habe und der in so vielen Familien den Kindern
eingetrichtert worden ist, damit sie sich keine Streiche
und Dummheiten und Lügen leisten, nämlich: «Der liebe
Gott sieht alles.» Das hat bei vielen Kindern ein eher
angsterregendes Gottesbild hinterlassen, das oft bis ins
Erwachsenenalter bestehen bleibt. Dabei gibt es die andere,
tröstliche, bergende Seite dieses «von Gott Gesehenwerdens
», wie sie im Psalm 139 so wunderbar ausgedrückt
wird: «HERR, du erforschst mich und kennst mich. Ich sitze
oder stehe auf, so weisst du es; du verstehst meine Gedanken
von ferne» (Verse 1 und 2).
«Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äussersten
Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und
deine Rechte mich halten.» (Verse 9 und 10)
Ich kann nicht tiefer fallen als in Gottes Hand. Diese
Gewissheit kann uns tragen, uns Mut geben, auf unserem
Lebensweg einiges zu wagen, was nicht vorgegeben, aber
kühn ist. Natürlich sollten wir dafür Rechenschaft ablegen,
wie Paulus schreibt; aber Gottes Gnade begleitet uns auch
dabei. So verstehe ich auch die schöne diesjährige Jahreslosung:
«Du bist ein Gott, der mich sieht.»

Von: Elisabeth Raiser