Jesus fragte seine Jünger: Als ich euch ausgesandt
habe ohne Geldbeutel, ohne Tasche und ohne Schuhe,
habt ihr je Mangel gehabt? Sie sprachen: Nein, keinen.
Lukas 22,35

«Kein Geld, keine Tasche, keine Schuhe»: Über die Aussendungsrede
(Lukas 10,1–12) hat der Berner Dichter-Pfarrer
Kurt Marti geschrieben, sie stelle uns «heftig in Frage: uns,
die wir zentnerschwer behangen sind mit den Gewichten
unserer Bindungen und Besitztümer». Es gelte also, in der
Nachfolge Jesu, «alles zu verlassen».
Doch nun folgt die Überraschung: In den Abschiedsworten
Jesu im Lukasevangelium, denen der heutige Lehrtext
entnommen ist, sagt Jesus genau das Gegenteil: Es gilt, Geldbeutel
und Reisetasche an sich zu nehmen! Und auch ein
Messer! (Vers 36) Die paradiesischen Zeiten, in denen die
ersten Christen vogelfrei durch die Welt zogen, sind vorbei.
Fortan gilt es, sich selbst zu versorgen und zu verteidigen.
Die Worte stimmen nachdenklich in Zeiten, in denen
ehemalige Pazifisten zu Panzerexperten mutieren. Ich habe
weder zu den – nur im Lukasevangelium überlieferten! –
Worten noch zur bei Redaktionsschluss aktuellen politischen
Situation eine ausgereifte Meinung. Indessen bin ich
dankbar, dass Christus mit den Worten «Er wurde zu den
Gesetzlosen gerechnet» (Vers 37) andeutet, dass er in uns
und unter uns sein wird, immer, auch in den Abgründen.
Und dass er eines Tages sagen wird: «Es ist genug!» (Vers 38)

Von: Andreas Fischer