Schlagwort: Annegret Brauch

26. Februar

Jesus betet für seine Jüngerinnen und Jünger: Ich bitte
nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du
sie bewahrst vor dem Bösen.
Johannes 17,15

«Nicht aus der Welt» (griech: ex tou kosmou) hat im Deutschen
eine doppelte Bedeutung. Wenn ich sage: «Ich bin
doch nicht aus der Welt!» meine ich: «Ich bin in der Nähe,
bin ansprechbar und greifbar.» Wenn Jesus sagt: «Nicht aus
der Welt sind sie (= die Seinen)…» (Vers 16), bringt er zum
Ausdruck, dass die Seinen, die sich an ihn, an Gottes Wort
halten, sich nicht (mehr) nach der Art der Welt verhalten,
sich nicht (mehr) von «deren Logik» bestimmen lassen.
Für die, die sich auf Christus beziehen, gelten beide Bedeutungen.
Sie sollen der Welt nah, in der Welt präsent sein –
das ist Jesu Bitte (Vers 15); – und sie sollen sich nicht der
Welt gleichstellen, sondern nach Gottes Willen das Gute,
Wohlgefällige und Vollkommene tun (vgl. Römer 12,2).
Was bedeutet das angesichts der drängenden Fragen, die
der Krieg in der Ukraine, die Kriege im Jemen, in Syrien, am
Horn von Afrika an uns stellen?
Wir sind doch nicht aus der Welt!
In den Streit der Welt hast du uns gestellt, deinen Frieden zu
verkünden, der nur dort beginnt, wo man wie ein Kind deinem
Wort Vertrauen schenkt. Herr, wir bitten: Komm und
segne uns; lege auf uns deinen Frieden … (EG 610).

Von: Annegret Brauch

25. Februar

Höret des HERRN Wort! Der HERR rechtet mit denen,
die im Lande wohnen; denn es gibt keine Treue, keine
Liebe und keine Erkenntnis Gottes im Lande.
Hosea 4,1

Gott führt einen Rechtsstreit mit seinem Volk. In einer Zeit
des Wohlstands und einer prosperierenden Wirtschaft fordert
Gott Rechenschaft von denen, die im Land wohnen.
Hosea kritisiert wie Amos die soziale Ungerechtigkeit, das
Lügen, Betrügen und Morden um des eigenen Vorteils willen
und auf Kosten derer, die nicht genug zum Leben haben. Er
prangert die Verkommenheit an, in der sich König, Priesterschaft,
die Wohlhabenden und Einflusseichen eingerichtet
haben. «Es gibt keine Treue, keine Liebe und keine Erkenntnis
Gottes im Land», klagt er an.
Treue und Wahrhaftigkeit, Liebe und Barmherzigkeit,
Erkenntnis und Einsicht sind die Koordinaten, an denen sich
die Menschen nach Gottes Willen ausrichten sollen, damit
das Leben gut ist, damit alle genug haben. Eine Logik der
Suffizienz, eine Ökonomie des Genug/der Genüge dient dem
Leben. Es braucht Menschen, die es (sich) genug sein lassen –
in ihrem persönlichen Lebensstil; dort, wo sie Einfluss haben
und nehmen können. Jede und jeder kann etwas bewegen
und in Bewegung bringen.
«Auf dich kommt es an. Leiste dir eine Utopie. Lass dir nicht
einreden, das sei wirklichkeitsfremd. Wirklichkeitsfremd handeln
vielmehr die, die meinen, dass an dieser Welt nichts
mehr zu ändern ist.»
(Reinhild Traitler)

Von: Annegret Brauch

26. Oktober

Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde. Johannes 3,17

Das Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus, in dessen Schlussteil unser Vers gehört, ist und bleibt (mir) rätselhaft. Da ist der gelehrte und geachtete Pharisäer Nikodemus, der in der Nacht zu Jesus kommt, um mit ihm über Fragen des Glaubens und des Lebens zu sprechen. Und da ist Jesus, der antwortet und doch nicht wirklich verstanden wird. Nikodemus’ vernünftige Einwände verfangen nicht vor der Botschaft, die Jesus verkündigt: dass Gottes Liebe der Welt Grund und Ziel gibt, dass Gottes Geistkraft in ihr wirksam ist und die Menschen verändert, dass Gott will, dass die Welt gerettet werde …

Die Frage drängt sich auf: Wie ist das zu glauben angesichts von Krieg und Zerstörung, von Hunger und Gewalt, von so viel Lüge und Ungerechtigkeit vor unseren Augen?

Was Nikodemus aus dem Gespräch mitnimmt, bleibt offen. Wie sähe Ihre Antwort aus? – Mein Versuch einer Antwort lautet:
Es ist leicht und schwer zu glauben und zu vertrauen; es ist ein Weg, ein Prozess; es ist ein Gehaltenwerden und ein Festhalten, es ist ein «sich dem Leben in die Arme Werfen».

Von Annegret Brauch