Autor: Reinhild Traitler

31. März

Ihr wart wie ein Brandscheit, das aus dem Feuer gerissen wird;
dennoch seid ihr nicht umgekehrt zu mir, spricht der HERR.
Amos 4,11

«Denn siehe, der die Berge formt und die Winde schafft, der seine Gedanken den Sterblichen offenbart; der die Morgenröte macht und die Finsternis; der über die Höhen der Erde schreitet, der HERR, der HERR der Heerscharen ist sein Name», heisst es in Vers 13.
Gott führt die Grösse seiner Schöpfung vor Augen, Berge und Wind, und alles was unter seinen Füssen liegt; Gott gewährt seinen Geschöpfen Einblick in seine geheimen Gedanken. Gott verdirbt und Gott rettet das brennende Brandscheit aus dem Feuer. Und trotz alledem bekehrt sich das Volk nicht zu Gott. Aus jedem Vers spricht die Trauer über das treulose Volk und die Sehnsucht nach Versöhnung und Liebe. Diese Liebe kann auch Gott nicht einfach herbeizwingen oder in die Herzen hineinzaubern. Liebe ist eine geheimnisvolle Verbindung, die langsam wächst, allen Träumen von der «Liebe auf den ersten Blick» zum Trotz. Sie muss im Alltag erprobt und immer wieder neu versucht werden. Sie muss der je anderen Person ihr Anderssein zugestehen und trotzdem ein Mass an Übereinstimmung finden, die das Zusammensein erstrebenswert macht. All das ist ein arbeitsreicher Prozess: Auch Gott muss sich darum mühen und immer wieder das Brandscheit aus dem Feuer holen. Und die Liebe noch einmal versuchen!

Von Reinhild Traitler

30. März

Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünde nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.
1. Korinther 5,19

Das Wort von der Versöhnung sagt sich schwer
Sein Resonanzraum
Ist vollgestopft mit alten Möbeln
Staub hat sich angesammelt
und Milben sind fett geworden
Vom Leben langer Zeiten

Das Wort von der Versöhnung
Das grosse, stolze Wort
Ist klein geworden
Es sagt sich in jede Ritze hinein
Klebt sich an die Mauern und bleibt dort
Angeleimt
Im Dunkel der Träume und Wirrnisse:
Es wirkt nicht mehr.

Das Wort von der Versöhnung braucht
Eine Versöhnung mit sich selbst
Hoffnung auf einen neuen Anfang
Zärtliche Hände
und
Einen Kuss der Liebe!

Von Reinhild Traitler

8. Februar

Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben,
wozu du berufen bist, und bekannt hast das gute Bekenntnis
vor vielen Zeugen.    1.Timotheus 6,12

Timotheus, Schüler des Paulus, ja eigentlich sein geliebter Ziehsohn, bekommt vom Apostel die wichtige Aufgabe der Gemeindeentwicklung und Gemeindeführung übertragen. Diese Aufgabe war vielleicht die allerschwierigste in der entstehenden Gemeinschaft der von Christus Ergriffenen. Sie hat über viele Generationen hinweg eine Art Idealbild der Gemeinde geprägt.

Es ging dabei nicht bloss darum, Toptheologe zu sein, herausragender Organisationsentwickler oder Modellchrist. Auch Altersweisheit war kein Kriterium, obwohl Timotheus darüber klagt, dass er als zu jung erachtet wurde. Eher ging es darum, die Menschen in der Gemeinde zur ganzen Fülle der Gottesbeziehung zu ermutigen. Und dies gemeinsam und eines Sinnes zu tun: den entstehenden Irrlehren entgegenzusteuern, in der Familie wie auch in der Gemeinschaft der Glaubenden, nach bestem Wissen und Gewissen ein untadeliges Leben zu führen. Und dabei zu ertasten, was das ewige Leben bedeuten könnte: auf dem Weg mit Christus zu sein und seine Gebote zu halten, «bis er kommt». Ewig ist nicht die Gestalt, sondern die Beziehung, das, was wir Liebe nennen, was entsteht, wenn wir uns mit aller Kraft und Hingabe füreinander einsetzen.

Von Reinhild Traitler

7. Februar

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Sinne bewahren in Christus  Jesus. Philipper 4,7

Der Friedensgruss von der Kanzel, der uns zum Ende der Predigt zugesprochen wird, ist mir besonders lieb: Er hebt mich gleichsam über die Sonntagsschwelle in den Alltag. Alle Sorgen bekommen noch einen kleinen Aufschub. Ich darf sie noch eine Nacht liegen lassen, darf noch einmal darüber schlafen, mich noch einmal in den Gottesfrieden kuscheln, ehe dann die «Vernunft» übernimmt.

Das Erste, was meiner Vernunft dann ins Auge fiel, war der Konjunktiv, den mein heimischer Pfarrer in Predigt und Liturgie eisern verwendete: Der Friede Gottes «bewahre» mir Herz und Sinne. Es handelte sich also um eine Bitte um Bewahrung in schwierigen Zeiten. Irgendwie entsprach das meinen Erfahrungen als Primarschülerin in der Nachkriegszeit. Ich konnte diese Bitte nachsprechen. Aber in der neuen Version des Sonntagsgrusses war aus der Bitte eine Gewissheit geworden: «Der Friede Gottes … wird eure Herzen und Sinne bewahren», hiess es da plötzlich im selbstbewussten Futurum. In der neuen Textvariante ist die Bitte des Beters, der Beterin zur Zusage Gottes geworden – das entsprach nicht immer meinen Erfahrungen. Aber oft habe ich gelernt, dass mein Herz und mein Sinn in dem Mass bei Gott sind, mit dem ich mich der Liebe und Durchhilfe von Jesus Christus anvertraue.

Von Reinhild Traitler

31. Januar

Kehrt zurück, ihr abtrünnigen Kinder, so will ich euch heilen von eurem Ungehorsam. «Siehe, wir kommen zu dir, denn du bist der HERR unser Gott». Jeremia 3,22

Ungehorsam – in vielen Gesellschaften eine Verhaltensweise, die das Zusammenleben der Menschen erschwert. Eine Krankheit, die geheilt werden muss. Ihr Symptom ist es, sich zu verschliessen, nicht zu hören auf das, was andere Menschen uns sagen möchten, was Gott uns sagen will; sich abzutrennen vom Leben in Gott, unfähig, auf das zu hören, was er uns sagen will.

«Ungehorsam» kommt von «nicht hören» und «abtrünnig» von «trennen». Schon zu seiner Zeit klagt der Prophet Jeremia: «Ach, mit wem soll ich noch reden und wem soll ich Zeugnis geben? Dass doch jemand hören wollte. Aber ihr Ohr ist unbeschnitten, sie können’s nicht hören. Siehe, sie halten des Herren Wort für Spott.» (6,10)

Diese bittere Klage richtet sich gegen eine von Müssiggang und Reichtum verwöhnte Oberschicht, die die Zeichen des Angriffs durch fremde Mächte nicht wahrhaben und sich in ihrem lasziven Lebensstil nicht stören lassen will. Die nicht hört auf die Klage der Armen.

Und doch ist da auch die Erinnerung an die Verheissungen Gottes für das Volk. Du bist der HERR, unser Gott. Du wirst uns heilen. Und uns neues Leben schenken.

Hoffnungen stellen sich ein! Hoffnungen auf offene Ohren und Herzen!

Von Reinhild Traitler