Erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte. Psalm 86,11

Kaum eine, kaum einer setzt sich wohl Einfalt zum Ziel. Im Lied vom aufgegangenen Mond mögen wir zwar darum bitten: «Lass mich einfältig werden.» Aber das tun wir bloss, weil der Text so alt ist und die Melodie so vertraut. Wer will schon einfältig werden? Wenn, dann schon eher englisch: «Simplify your life!» Viele finden ihr Leben mit gutem Grund zu kompliziert.

Ich habe es gerne anschaulich: Wenn du ein Blatt einmal faltest, bleibt die Oberfläche glatt. Du kannst darauf schreiben oder zeichnen. Staub und Schmutz lassen sich leicht abwischen. Wenn du ein Blatt vielfach faltest oder gar aus Zeitgründen zerknüllst, bekommst du es nicht mehr flach. Was geschrieben ist, wird verzerrt, und immer bleiben Sandkörner in den Knitterfalten hängen. Im Psalm 86 meldet sich eine Stimme aus einem komplizierten Leben, mit einer zerknitterten und vielfach gefalteten Seele. Sie möchte einfältig werden und vor dem Ewigen auf Erden wieder – wie ein Kind – fromm und fröhlich sein. Vom Psalm über Matthias Claudius bis zu unserer Zeit überbordender Möglichkeiten und Ansprüche wird die Bitte weiter überliefert, weiter gebetet, weiter geseufzt: Lass mich zur Konzentration finden, zur Ausrichtung und Entlastung auf die Mitte hin, bei dir, Gott, der du meines Lebens Mitte bist.

Die Sonntagsruhe ist übrigens ein schöner Ausdruck dieser Sehnsucht.

Von: Benedict Schubert