Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen. Römer 11,29

«Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?» lautete Luthers Frage. Es ging dem Augustinermönch um sein Seelenheil. Indessen fragt man sich: Welches fühlende, mitfühlende Menschenkind kann im Anblick des drohenden globalen Kollapses ernstlich besorgt sein um seine persönliche «Rechtfertigung» vor Gott?

In diesem Zusammenhang mag die Beobachtung des deutschen Neutestamentlers Ernst Käsemann (1906–1998) von Bedeutung sein, dass es bei der «Rechtfertigungslehre» des Apostels Paulus genuin gar nicht ums Seelenheil ging. Sondern ums Ganze, das Ziel des Kosmos, das Ende der Erde.

Entsprechend gilt unser heutiger Vers nicht einer skrupulösen Seele, sondern den Juden und Heiden, der Menschheit, allen Wesen der Welt (vgl. die Fortsetzung Verse 30–36 und den ganzen Zusammenhang in Römer 9–11).

«Nicht gereuen» steht im griechischen Urtext betont am Anfang. Darauf liegt alles Gewicht. Es ist eine erstaunliche Aussage; in der Bibel steht auch anderes, zum Beispiel: «Da reute es den EWIGEN, dass er den Menschen gemacht hatte.» (1. Mose 6,6) Doch Paulus, dessen «Rechtfertigungslehre» eben «geschichtliche Tiefe und kosmische Weite» (Käsemann) hat, glaubt, dass alles, dass das All – bedingungslos, so, wie es ist – in Gott geborgen ist und schliesslich heimgerufen wird ins göttliche Licht.

Von: Andreas Fischer