Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen. Klagelieder 3,26

Gäbe es in der Bibel Ironie, würden wir diesen Text aufs Erste vielleicht mit einem leicht hämischen Grinsen lesen. Was soll denn daran «köstlich» sein, geduldig und hoffend auf Hilfe zu warten!? Will uns da jemand auf den Arm nehmen?
So bleibt ein Stirnrunzeln, und ich drehe und wende den Satz in mir, um einen Sinn darin zu erkennen. Doch wie so oft in der Bibel erschliesst sich dieser Sinn mir erst, wenn ich von mir wegdenke und -fühle. Verbinde ich für mich persönlich das Wort «köstlich» doch mit Genuss und Sinnesfreude, das allem gilt, was sich mir gegenwärtig und konkret manifestiert, gehören Geduld und Hoffnung hingegen in eine ganz andere Sphäre.
Sind wir dazu aufgefordert, geduldig und hoffnungsvoll zu sein, gleicht das eher einem Vakuum. Wir sind auf uns selbst zurückgeworfen und ganz allein mit unserem Selbstvertrauen, bis etwas konkret wird, worauf wir warten oder sogar bangen. In der Geduld und Hoffnung begegnen wir auf intensive Weise uns selbst – mit allen Wunden und Wünschen; mit all unseren Stärken und Schwächen. So betrachtet, lese ich diesen kurzen Vers plötzlich als eine Ermunterung, mich selbst in der Schwebe des Ungewissen und Abwartens auszukosten und in meiner inneren Leere ganz ohne Ablenkung und Bewertung etwas zu schwelgen. Das nehme ich mir für heute vor.

Von: Esther Hürlimann