Da brachten Männer einen Gelähmten auf einer
Trage herbei. Sie wollten ihn in das Haus bringen und vor Jesus niederlegen.
Lukas 5,18

Wenn ich die Stelle lese, sehe ich die Bilder von Kees de Kort. Oft sass ich als Kind im Flur, wo das bis zur Decke reichende Regal mit den Bilderbüchern stand, und blätterte mich durch biblische Geschichten. Ich sehe, wie die Freunde den Gelähmten durch das Dach zu Jesus hinunterlassen. Wie der Geheilte aufsteht, seine Matte nimmt und geht. Die Geschichte handelt vom Wunder der Heilung, von dem ich schon als Kind wusste, dass es sich selten so einstellt wie im Bilderbuch.
Wunder, die ich erlebe, sind flüchtig. Momente, in denen in einem Menschen eine aufrichtende Kraft spürbar wird mitten in der Angst, eine lichtvolle Begegnung möglich wird im Meer des Vergessens, die im Herzen aufbewahrt bleibt, obwohl das Gedächtnis längst nichts mehr festzuhalten vermag.
Vielleicht lässt sich die Erzählung vom Geheilten ja auch vor dem Hintergrund solch kleiner Wunder lesen: Ich nehme sie wahr im Wissen, dass sie keine dauerhafte Linderung bringen, und dennoch in der Hoffnung, dass sie noch leuchten, wenn die Verzweiflung alles verdunkelt. Und so will ich nach dem nächsten Wundermoment den Mut finden zu sagen: «Unglaubliches haben wir heute gesehen.» (Lukas 5,26)

Von: Felix Reich