Josef sprach zur Frau des Potifar, die ihn verführen wollte: Wie könnte ich ein so grosses Unrecht begehen und gegen Gott sündigen? 1. Mose 39,9

Josef lehnt die unmissverständliche Einladung zum Seitensprung nicht ab, weil er weiss, was alle Seitenspringenden eigentlich wissen müssten, wenn sie ganz bei Trost wären: dass der kurze Lustgewinn in der Regel die Verwüstungen, die er anrichtet, nicht wert ist. Er lehnt auch nicht ab aus Rücksicht auf Potifar, obwohl er zuerst so argumentiert. Josef lehnt ab, weil er sich Gott verpflichtet weiss. Nie hören wir Josef klagen. Die langen Durststrecken, die er durchstehen musste, nahm er aus Gottes Hand. «Irgendwie hängt alles zusammen», muss er sich gesagt haben, «und ist Teil meiner Beziehung zum Ewigen.» Josef gibt dieser Beziehung mehr Gewicht. Das kränkt die Frau und erklärt ihre schändliche Reaktion.
Frau Potifar tut mir leid. Verheiratet mit einem obersten Beamten, einem Eunuchen, bleibt ihr eheliche Vertrautheit fremd. Sonst wird es ihr an nichts gefehlt haben. Als sie Josef begegnet, will sie sich etwas von dem, was ihr so schmerzlich fehlt, nehmen, auf unrechte Weise. Tragischerweise sucht sie an der falschen Stelle. Josefs Glück ist nicht im Bett zu finden. Potifar selbst muss von Anfang an klar gewesen sein, dass nicht Josef das Problem ist. Es besteht deshalb die Hoffnung, dass Herr und Frau Potifar aus dieser Krise lernen konnten und ihnen noch ein paar glücklichere Jahre vergönnt waren.

von: Heiner Schubert