Schlagwort: Heiner Schubert

30. Juli

Ich erzähle dir meine Wege, und du erhörst mich;
lehre mich deine Gebote.
Psalm 119,26

Vor einigen Jahren schrieb der damalige französische Premier
Dominique de Villepin in der Zeitung «Le Temps», dass
er nicht verstehe, weshalb die Welt nicht viel mehr nach
Frankreich blicke. Schliesslich hätte sein Land im Lauf der
Geschichte oft die besten politischen Lösungen gefunden.
Das fand ich lustig, denn nicht nur die Franzosen scheitern
daran, das auf allen Ebenen sich ständig ausbreitende Chaos
zurückzudrängen. Wir Menschen scheitern an der Organisation
der Welt.
Das ist nichts Neues. Psalm 119 sieht als einzigen Ausweg
die Hinwendung zu Gott. Das gilt auch für das Leben des
Einzelnen. Die Vertrautheit der Szene – ich sitze Gott zu
Füssen und erzähle, was gerade so läuft – rührt mich an.
Die Bitte, die folgt, verpflichtet. Ich will mich auf den Weg
machen und mich leiten lassen von dem, was ich gehört
habe. Die Übersetzung des geschriebenen oder gesprochenen
Wortes in eine Weisung, die von Gott kommt, besorgt
der Heilige Geist. Meine Aufgabe ist es, die Ohren zu spitzen
und mit wachem Sinn durchs Leben zu gehen, die Bibel zu
lesen, die Zeitung oder Bolderntexte. Es springt mich auch
mal eine Litfasssäule an oder ein Graffiti. Ordnet sich durch
das unverhoffte Angesprochensein etwas und Gelassenheit
stellt sich ein, ist der Geist am Werk.
Herr de Villepin verwirrte mich damals eher.

Von: Heiner Schubert

30. Mai

Ist denn die Hand des HERRN zu kurz? 4. Mose 11,23


Diese unechte Frage stellt Gott dem Mose, weil der sich beim
besten Willen nicht vorstellen kann, wie Gott es bewerkstelligen
will, ein ganzes Volk, das nach Fleisch schreit, zu
versorgen. Aber die Wachteln rauschen wie versprochen an;
so viele, dass es allen bald zum Hals heraushängt. Auch das
hatte Gott vorhergesehen. Eine seltsame Beziehung schildern
uns die Mosebücher zwischen Gott und den Geretteten.
Wie soll es auch anders sein? Erst kurz vor ihrer Flucht
hatte Gott sich dem Mose vorgestellt und gesagt: «Ich bin
der Ich-bin-da.» Jetzt müssen sie sich in einer Zeit grosser
Aufregungen kennenlernen. Das ist ein beliebtes Motiv in
vielen Filmen: Zwei Leute, die sich vorher nicht kannten, sie
Grundschullehrerin und er Buchhalter, müssen zum Beispiel
ein Flugzeug mit dreihundert Personen an Bord landen, weil
die Piloten infolge einer Fischvergiftung ausgefallen sind. Der
Film lebt von der aus begreiflichen Gründen angespannten
Beziehung der beiden. Am Schluss kriegen sie sich immer
und so ist es auch in der Wüste. Sie bleiben sich treu, Gott
und das Volk, auch wenn im Lauf der Geschichte die Beziehung
nie ganz einfach sein wird. Irgendwann, als gerade
die Römer Palästina besetzt halten, wird der Arm Gottes
ganz lang und er selbst wird Mensch und reicht uns in Jesus
Christus die Hand. Dass viele sie ausschlagen, zeigt, dass die
Beziehung damit nicht einfacher geworden ist.

Von: Heiner Schubert