Unser tägliches Brot gib uns heute. Matthäus 6,11

Genug zu essen zu haben, ist keine Selbstverständlichkeit.
Daran erinnert mich der Vers gleich doppelt. Die Bitte gilt
es jeden Tag zu erneuern. Allein am heutigen Tag, im Jetzt,
genug zum Leben zu haben, scheint genug. Mein Privileg
ist, dass in meiner Bitte Dankbarkeit liegt, weil das tägliche
Brot mein Alltag ist. Ich muss nicht hungrig schlafen
gehen. Eigentlich müsste ich für das tägliche Brot der Anderen
beten.
Es gibt einen Diskurs, der das tägliche Brot zuoberst auf die
Prioritätenliste setzt und ein Recht auf Nahrung postuliert.
Was einleuchtend klingt, kippt für mich allzu oft in einen
utilitaristischen Zynismus. Autoritäre Regierungsformen, die
wirtschaftlich erfolgreich sind, werden damit gerechtfertigt,
dass sie im Kampf gegen den Hunger halt nicht auch noch
auf Minderheiten und Dissidenten Rücksicht nehmen können.
Das tägliche Brot sei wichtiger als die Meinungsfreiheit,
die Menschenrechte werden relativiert.
Ich bin überzeugt, dass sich das Evangelium gegen eine Hitparade
der Menschenrechte wendet. Beim Brot, von dem
das Unservater spricht, denke ich nicht allein ans Essen. Mir
kommt das Brot des Lebens in den Sinn, das beim Abendmahl
geteilt wird. Es umfasst für mich all das, was der Mensch
braucht. Dazu gehört Nahrung, ja, aber ebenso zählen dazu
die Würde und die Freiheit.

Von: Felix Reich