Wo ist jemand, wenn er fällt, der nicht gern wieder
aufstünde? Wo ist jemand, wenn er irregeht, der nicht
gern wieder zurechtkäme?
Jeremia 8,4

Ein Volk, das sich abwendet von Gott, sich den falschen
Götzen unterwirft. Die Leidensgeschichte von Gottes Wort
und prophetische Mahnreden, welche die Uneinsichtigkeit
der Menschen beklagen. Kunstvoll erzählt, theologisch dicht
und literarisch klug komponiert, aber aus der Zeit gefallen.
Wirklich? Eigentlich klingt die Tageslosung doch beklemmend
aktuell. Der Prophet Jeremia beklagt den fehlenden
Willen zur Umkehr. Die Gestrauchelten bleiben lieber liegen,
als sich an Gott aus- und aufzurichten. Im Gegensatz zum
Storch am Himmel, zur Taube, zum Mauersegler und zur
Schwalbe, die alle «die Zeit ihrer Heimkehr» einhalten, hat
die Menschen ihr Instinkt, der Sinn für «die Ordnung des
Herrn» (Jeremia 8,7) verlassen.
Durch die Geschichte zieht sich eine blutige Spur des Unrechts
und der Gier, angesichts derer man kein Prophet sein muss,
um sich zu fragen, wo das Bewusstsein dafür auf der Strecke
geblieben ist, was Menschsein eigentlich bedeutet. Und es
bleibt zu hoffen, dass sich weiterhin immer wieder Menschen
finden, die sich nicht abfinden damit, sondern – selbst wenn
sie straucheln – aufstehen für Frieden und Gerechtigkeit, für
die Ordnung Gottes.

Von: Felix Reich