Ich danke unserem Herrn Christus Jesus, der mich stark
gemacht und für treu erachtet hat.
1. Timotheus 1,12

Paulus – oder sein Schüler – redet den Gemeindeleitern ins
Gewissen. Sie sollen sich von jenen abgrenzen, die «keine
Ahnung haben, wovon sie reden und worüber sie so selbstgewiss
urteilen» (1. Timotheus 1,7). Der Apostel ist mit dem
Selbstbewusstsein des Bekehrten gesegnet und hält sich für
stark genug, zu wissen, was wirklich gilt.
Wenn Predigerinnen und Prediger meinen, die Wahrheit
gepachtet zu haben, wird es ungemütlich. Wähnen sich Religionen
auf dem einzig richtigen Weg, lauert die Ideologie.
Ausgerechnet Paulus wird gerne zitiert, um Menschen herabzusetzen.
So bleibt die ihm zugeschriebene Aufforderung,
Frauen müssten schweigen in der Gemeinde, sich unterordnen
(1. Korinther 14,34) auf fatale Weise wirksam. Zugleich
liefert Paulus auch den Schlüssel zur Wahrheit: Ziel sei «die
Liebe, die aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem
Glauben kommt» (1. Timotheus 1,5).
Vielleicht helfen solche Widersprüche, eigene Wahrheiten
zu hinterfragen, ohne die Wahrheit der Liebe und der Hoffnung,
welche die Bibel verkündet und in Erzählungen und
Gleichnissen erfahrbar macht, zu relativieren. Ob Freiheit
und Würde möglich sind oder Diskriminierung und Unrecht
herrschen, ist keine Frage der Kultur. Es ist eine Machtfrage.

Von: Felix Reich