Es ist nicht der Wille eures Vaters im Himmel, dass auch
nur eins dieser Geringen verloren gehe.
Matthäus 18,14

Es sind nur noch 99 Schafe … Wer ist so ein 100. Schaf, so ein
fehlendes, verirrtes, jedoch gerade nicht verlorenes, wie es
fälschlicherweise genannt wird? Wer gehört für Sie zu den
«Geringen», wie Matthäus solche Schafe nennt? Zu den
Marginalisierten? Die Ärmsten oder allgemein Benachteiligten,
Menschen ohne Lobby oder vor allem Kinder, die vielen
Flüchtlinge im Nirgendwo oder überhaupt alle Heimatlosen,
alle von Krieg und Krisen Betroffenen, insgesamt Menschen
mit Beeinträchtigungen oder schon solche ohne bestimmte
Privilegien, ohne das Glück, in einem reichen und toleranten
Land geboren zu sein, queere Personen und Sans-papiers,
Sozialhilfeempfängerinnen, Untergetauchte, Prostituierte,
Sklavinnen, Schwarze, …?
Durch die Jahrhunderte haben sich vorwiegend studierte
Leute Gedanken gemacht, wer da gemeint sein könnte: die
Neugetauften, die Ungebildeten oder gar Schmied und
Schuster, Bauer und Tölpel, wie Johannes Chrysostomus
(† 407) vermutete und predigte? Er hielt sich selbst für besser.
Wer so fragt und so sagt, denkt, dass er oder sie selbst
jedenfalls nicht dazugehört. Aber in diesen wenigen Zeilen
über das wiedergefundene Schaf sind wir alle gemeint. Martin
Luther bringt es auf den Punkt: «Das … Schaf sind wir …
Das Schaf kann sich nicht selber helfen … Das Schaf sucht
nicht den Herrn, sondern der Herr sucht das Schaf.»

Von: Dörte Gebhard