Ihr sollt den HERRN, euren Gott, nicht versuchen. 5. Mose 6,16

Die Tendenz, seinem Gott nicht treu zu sein, ist ein durchgängiges Thema, mit dem das Volk Israel seine Beziehungsgeschichte mit Gott häufig beschreibt. So auch hier, wo  die Passage ein Rückverweis auf das Murren des Volkes am Horeb (Massa) ist, das angesichts ungenügender Lebensumstände an der Existenz Gottes gezweifelt hatte (2. Mose 17,7). Der heutige Losungsvers verweist in seinem Kontext (Kapitel 6) auf zwei zentrale Elemente der Gott-Mensch-Beziehung. Zum einen auf die Liebe Jahwes als Wesen des Gesetzes und somit sein zentrales Interpretament und zum anderen die Treue zu Gott als die erwartete Antwort durch den Menschen. Treue kennt Versuchung nicht, weil eine Beziehung, die auf Treue basiert, das Gegenüber nicht in Versuchung führen will. Also: «Und führe uns nicht in Versuchung», sondern gib uns eine der Treue und dem Wesen deines Gesetzes, der Menschenliebe, entsprechende Beziehung. Den Herrn nicht zu versuchen, bedeutet also nicht allein, Gott ernst zu nehmen, sondern auch, seine Ordnung, seine Bestimmungen für uns Menschen in Nächstenpraxis umzusetzen und so für andere Gottesnähe zu verkörpern. Deshalb steht die Losung im Rahmen jenes grossen israelischen Glaubensbekenntnisses: Sh’ma Yisrael, höre Israel, der Lebensanweisung für ein Volk, dessen Leben von Nähe zu Gottes Willen bestimmt ist.

Von Gert Rüppell