Lass leuchten dein Antlitz über deinem  Knecht; hilf mir durch deine Güte!                  Psalm 31,17

«Über deinem Knecht» – freilich vertraute Bibelsprache, aber auch wer mit ihr einigermassen vertraut ist, mag darüber stolpern oder kurz stutzen. «Herr und Knecht» beschreibt das Verhältnis von Gott und Mensch zu einseitig, wohl gar irreführend. Jesus von Nazareth hat diese Redeweise nicht gebraucht, er hat sie durch das Bild der Gotteskindschaft ersetzt, und im letzten Jahrhundert hat Jürgen Moltmann die Vorstellung der «ersten Freigelassenen der Schöpfung» formuliert. Das wäre ungefähr das Gegenteil eines Knecht-Verhältnisses. Mit diesen Korrekturen im Ohr wenden wir uns wieder dem Psalmvers zu.

Den Begriff «Knecht» können wir ja anders füllen. Er muss nicht Unterwürfigkeit bedeuten, kann vielmehr auf ein Angewiesensein verweisen, auf ein Vertrauen, das jemand einem Stärkeren entgegenbringt. Es ist das Vertrauen, von der Kraft dieses Stärkeren zu profitieren, von seinem Schutz, seinem Wohlwollen, seiner Güte, wie es im Psalmvers heisst. Alles ist vereint im Bild des Lichtes, das von Gottes Antlitz ausgeht, vom Gegenüber, das wir nicht sehen, das uns aber anschaut und erleuchtet. So ist die Adventszeit durchdrungen von diesem Bild:

Das ewig Licht geht da herein, gibt der Welt ein’ neuen Schein; es leucht’ wohl mitten in der Nacht und uns des Lichtes Kinder macht. (Martin Luther)

Von Andreas Marti