O Jerusalem, ich habe Wächter über deine Mauern bestellt, die den ganzen Tag und die ganze Nacht nicht mehr schweigen sollen.          Jesaja 62,6

Manchmal nutze ich ein Post-it, wenn es nur eine Kleinigkeit ist, viel häufiger aber grosse To-do-Listen. Gerne in DIN-A4- Format. Ich schreibe diese Listen mit viel Liebe und noch mit viel grösserer Liebe markiere ich die Dinge, die ich erledigt habe. Manchmal mit einem grünen Haken, manchmal streiche ich sie aber auch mit einem dicken Rot durch.

Ich muss schmunzeln bei der Vorstellung, die Jesaja  heute bei mir weckt. Dass Gott nämlich auch Erinnerungen braucht und sich sogar einen Erinnerungsservice aufstellt. Die Wächter auf den Mauern Jerusalems sollen nicht schweigen, sondern beständig Gott daran erinnern, dass er Jerusalem wieder zu Blüte bringen soll.

Eine Erinnerungshilfe für Gott, die gleichsam alle anderen auch erinnert. Erinnert an eine Liebe, an eine Beziehung und Verbindung, die von Gott nicht vergessen wurde. Eine Erinnerungshilfe, die die Sehnsucht nach dieser Zeit und Zweisamkeit wecken kann.

Gedenken ist weit mehr als nur ein flüchtiger Gedanke. Die Vorstellung der Szene berauscht mich und füllt meine Ohren, weckt auch Sehnsucht in mir.

Und doch bin ich auch wiederum froh, dass meine Post-its still sind.

Von Sigrun Welke-Holtmann