Der blinde Bartimäus rief: Du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Und Jesus blieb stehen und sprach: Ruft ihn her! Markus 10,48–49

Der Blinde hat einen Namen, der aufhorchen lässt. «Bar» ist aramäisch und bedeutet «Sohn», «Timäus» kann mit «der Geehrte» übersetzt werden. Markus wiederholt: Bartimäus ist der Sohn des Timäus. Warum diese Betonung? Im Zusammenhang gelesen hat das scheinbare Detail Gewicht. Jesus ist mit einem ganzen Tross von Anhängern unterwegs und der blinde Bartimäus, der am Wegrand sitzt, hat keine Chance, zum Meister vorzudringen. Also verschafft er sich Gehör und ruft. Die Menge reagiert verärgert auf den dreisten Rufer. Sie wollen ihn zum Schweigen bringen. Vielleicht wollen sie den Propheten aus Nazareth vor der Unverschämtheit des Bittstellers schützen? Was erlaubt sich Bartimäus? Jesus überhört die Beschützer und erhört den Rufer, lässt ihn zu sich führen und fragt ihn: «Was willst du, dass ich dir tue?» Seltsam. Es ist doch offensichtlich, dass Bartimäus blind ist. Ich verstehe es so: Jesus fordert den«Sohn der Ehre» auf, seinen Glauben an den Messias zu bezeugen. Gleichzeitig ermutigt er ihn in seiner Erwartung. Der Davidsohn ist gekommen, die Würde der Entehrten wiederherzustellen, die Kranken zu heilen, den Sündern zu vergeben. In dieser Geschichte ist es der Blinde, der sieht, und die Sehenden sind es, die blind sind. Jesus öffnet allen die Augen.

Von Ralph Kunz