Der Knecht Gottes sprach: Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg  ich nicht vor Schmach und Speichel.                      Jesaja 50,6

Zwei Umstände begleiten mein Nachdenken über diesen Text. Ich schreibe am Tag der orthodoxen Ostern – in der Nacht haben Raketenwerfer weiterhin Tod, Feuer und Zerstörung in der Ostukraine und darüber hinaus verbreitet. Zugleich radikalisiert der Text meine Verunsicherung, wie ich mit all den Diskussionen um schwere Waffen, Angriffskrieg und Aug’ um Auge mit den Gefühlen umgehen soll, die meinen grundsätzlichen Pazifismus in jüngster Zeit so sehr verunsichern. Die Losung ist klar: «Mein Angesicht verbarg ich nicht.» Gilt also «klare Kante»? Gilt also angesichts eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges, sich dennoch allem feindlichen Gerede mit der Botschaft der Versöhnung, des Dialogs entgegenzustellen, zumindest in den Diskussionen, in denen es eben doch um das Prinzip Aug’ um Auge geht? Wenn es stimmt, was ich neulich von einer Freundin hörte, dass wir in Krisensituationen dem Evangelium keinen Deut abhandeln können, indem wir auf die Sonderbedingungen verweisen, in denen wir uns befinden, dann bleibt eben doch für mich bei diesem Text ein Verweis auf die Ungeheuerlichkeit, die der biblische Anspruch für mich darstellt. Und somit auch ohnmächtige Stille …

Von Gert Rüppell