Die Barmherzigkeit des HERRN hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist gross.                                Klagelieder 3,22–23

In der Nacht schleichen sich Unruhestifter ein und verscheuchen den Schlaf. Die Schlagzeilen aus der wachen Welt lassen sich nicht mehr verdrängen, nicht die Hilflosigkeit, die Wut. Nicht die Sorge um die Nächsten, die Furcht vor Schmerzen, Leid, Vergänglichkeit.

Und Gott? Was soll er da? Was kann er da?

«Seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende.» Die Botschaft kommt zu uns aus der Zeit des babylonischen Exils, als Israel trauerte über den Verlust der Heimat und des Tempels. Will sie auch mir und meinen Ängsten etwas sagen? Vielleicht ist es keine Zusage Gottes. Vielleicht ist es bloss meine Behauptung, dass er da sein muss. Weil er als Hilfe, selbst wenn es ihn nicht gäbe, immer noch heilsamer, immer noch lebens-freundlicher ist als alle anderen Beruhigungsmittel.

Die Verzweiflung verweist mich hier auf Tausende von Klageliedern, die in Tausenden von Jahren immer wieder Antwort waren auf Schmerz und Leid, Verlust und Trauer, Unrecht und Gewalt. Immer wieder von späteren Generationen aufgenommen, immer wieder den neuen Schrecklichkeiten angepasst. Und noch kein Ende.

Ja, das Elend hat noch kein Ende. Bis heute nicht.

Aber auch: «Seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende!» So tönt mein Trotz. Und meine Treue zu diesem Gott.

Von Käthi Koenig