Er hat uns errettet aus der Macht der Finsternis
und hat uns versetzt in das Reich seines geliebten Sohnes.

Kolosser 1,12

Von der Finsternis ins Licht, post tenebras lux, –  so hat man in Calvins Genf das Selbstverständnis der Reformation formuliert. Die barocke Theologie vertraute auf die vom Heiligen Geist erleuchtete Vernunft, und bekanntlich nennt man die Zeit der Aufklärung im Französischen les lumières. Das ist alles nicht die Lesart des
1. Jahrhunderts. Dennoch ist der Lehrtext mit seiner Nachwirkung eine Herausforderung für ein modernes Glaubensverständnis, das Vernunft und Glauben zusammendenken muss.

Die «vernünftigste Vernunft» ist jene, die auch über sich selbst nachdenkt. Dabei erkennt sie ihre Bedingtheit durch die menschliche Natur und rechnet damit, dass es eine Wirklichkeit ausserhalb der erkennbaren gibt, auch wenn sie nicht zu definieren ist. Die Religionen nennen diese Wirklichkeit «Gott» und versuchen, sie in Begriffe, Rituale und Erfahrungen zu fassen. Die recht verstandene Vernunft blendet sie nicht aus, sondern hat die Aufgabe, die  Religion daran zu hindern, sie in scheinbar eindeutige Formeln einzuschliessen. So bleibt der Raum jenseits des rational Fassbaren offen, die Vernunft behält die Erkenntnis ihrer Grenzen und bleibt auch sich selbst gegenüber vernünftig.

Das ewig Licht geht da herein,
gibt der Welt ein‘ neuen Schein.
Es leucht wohl mitten in der Nacht
und uns des Lichtes Kinder macht, Kyrieleis.

(RG 392,4)

Von Andreas Marti