Seid getrost und unverzagt alle, die ihr des HERRN harret!
Psalm 31,25

«Harren» – das Wort begegnet uns immer wieder in den Psalmen, aber kaum je im Alltag. Wir sagen «warten», aber das wirkt passiv; wir sagen «hoffen», auch ein gut biblisches Wort, aber umgangssprachlich recht unbestimmt. Es gibt aber noch das Wort «ausharren», meist im Zusammenhang von schwierigen, vielleicht aussichtslosen Situationen. Diesen Hintergrund hören wir im Psalmwort mit, dazu aber auch die Gewissheit, dass eine solche Situation nicht endgültig, nicht das Letzte sein soll, dass da einer ist, der etwas Anderes, Besseres für uns und für die Welt vorgesehen hat. Daraus erwachsen Kraft zum Handeln, Offenheit und Lebensfreude, auch gegen allen Anschein.

In meinen Ohren klingen Passagen mit dem gesungenen «Harren»: Etwa Mendelssohns 42. Psalm, wo das Harre auf Gott mit Kraft und Wucht die Klage und die Ungewissheit hinwegfegt, oder Heinrich Kaminskis 130. Psalm, wo sich die Sopranstimme schwerelos und engelsgleich mit den Worten Ich harre des Herrn über den Chorklang aufschwingt. Was der Verstand nur mit Mühe zusammenbringt – das irdische Leben mit seinen Widersprüchen und Mühen und jenes Grössere, für das wir keine angemessenen Worte haben –, kann uns in der Musik als Ahnung aufscheinen. So wird christlich e Existenz sub spezie aeternitatis,  im Angesicht der Ewigkeit, spürbar, wird Quelle für Mut und Zuversicht, für ein «getrostes und unverzagtes» Leben.

Von Andreas Marti