Sie stimmten den Lobpreis an und dankten dem HERRN:
Denn er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewiglich.

Esra 3,11

Wir hören am Radio ein Konzert der 75-jährigen Rocksängerin und Poetin Patti Smith. Mein Sohn fragt bei einem Liedtitel nach: «Was heisst mercy auf Deutsch?» Ich: «Barmherzigkeit». «Und was ist denn Barmherzigkeit?

Das Wort kommt in unserem Alltag kaum vor, es ist geheimnisvoll, klingt auf Deutsch noch altmodischer als im Englischen. Es steht für eine Haltung und für aktive Gesten bedingungsloser Zuwendung, extrem menschlich und Eigenschaft Gottes zugleich.

Ein deutscher Theologe beantwortete kürzlich die Frage, ob Seenotretter*innen barmherzig handeln, brutal abgeklärt: «Die Barmherzigkeit nimmt einseitig für Menschen in Not Stellung, das stimmt. Aber es gibt auch die Gerechtigkeit, und die kann nicht einfach dem Herzen folgen, sondern muss nach Regeln fragen. Die Kirche kann barmherzig sein, der Staat darf das nicht.» Die Antwort verstört mich.

Patti  Smith  spricht   in  einem Schlaflied  anders,  in Bildern,  von der Barmherzigkeit: Dein Vater wartet auf dich / Um dich in seine heilenden Hände zu hüllen / Während der Nachthimmel weint. Ihre Definition: Barmherzigkeit ist der heilende Wind / der flüstert, wenn du schläfst.

Von Matthias Hui