Er wird auftreten und sie weiden in der Kraft des HERRN.                                            Micha 5,3

Vom Messias ist hier die Rede. Aber zuerst eine andere Geschichte: Die jüdische Religionsphilosophin Margarete Susman lebte seit den 1930er-Jahren bis zu ihrem Tod 1966 in einer kleinen Dachwohnung in Zürich. Am 7. Mai 1942 versuchten eine enge Weggefährtin und Susmans Schwester, in die Schweiz zu gelangen. Die Gruppe wurde aufgegriffen. Susman wartete umsonst. Ihre Schwester nahm sich vor Ort das Leben, die anderen wurden ins KZ Theresienstadt deportiert und kamen um.

Und dennoch: Margarete Susman lebte, dort unter dem Dach, stets auf messianische Zukunft hin. Wie Micha. Im Geist der Utopie. Die Katastrophe kann unterbrochen werden. Jeden Moment. Unvermittelt kann der Messias «auftreten», wie Micha in diesem Vers sagt – in der damaligen hoffnungslosen Lage. Dann werden sich Gesetz und Gerechtigkeit durchsetzen, und es wird Friede sein.

In dieser jüdisch-messianischen Tradition war Susman zuhause, für das
20. Jahrhundert prägte sie diese mit ihrem bedeutsamen Werk selber mit. Was sie sagt, ist an uns adressiert: «Die einzige Frage, die von dem himmlischen Richter an eine Seele, die vor ihn tritt, gestellt wird, lautet nach dem Talmud: ‹Hast du gehofft auf das Heil?›»

Wie halten wir Hoffnung aufrecht – wider alle Hoffnung?

Von Matthias Hui