Ist die Wurzel heilig, so sind auch die Zweige  heilig. Römer 11,16

Ich kann die Zweige nicht ohne die Wurzel denken. Nicht ohne das, was schon immer ist. Nicht ohne das, was bleiben wird. Was vor uns und nach uns dauert, länger als wir. «Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich!» – so steht es geschrieben, einen Atemzug später.

Ich kann die Wurzel nicht ohne den Himmel denken. Die Zweige nicht ohne Luft und Licht. Wohin wir aus dem Dunkel wachsen. Welche Früchte sichtbar werden.

Ich kann die Zweige nicht ohne die Vögel denken. Und die Vögel nicht ohne Gesang. Wie sie auch im Winter singen:
«Alles Leben strömt aus dir! Deiner Hände Werk sind wir.»

Ich kann das Leben nicht ohne das Sterben denken. Dieses Lied nicht ohne die letzte Strophe. Drum singe ich voll Inbrunst mit. Von der Wurzel, die mich trägt. Selbst wenn das Lied zu Ende ist.
«Deiner Gegenwart Gefühl sei mein Engel, der mich leite,
dass mein schwacher Fuss nicht gleite, nicht sich irre von dem Ziel.»
(RG 520,4)

Von Ruth Näf Bernhard