Kategorie: Texte

1. Oktober

Jesus spricht: Ich kenne deine Werke und
deine Mühsal und deine Geduld.
Offenbarung 2,2

Grossartiges kommt vor, aber es ist ziemlich selten und dauert
auch nie lange. Die Verklärung Jesu hatte gerade erst
angefangen, da waren die auserwählten Jünger schon wieder
auf dem Abstieg.
Berühmte Leute gibt es, aber sie sind eine extreme Minderheit.
Ruhm ist ausserdem etwas Vorübergehendes.
Instagram und Tiktok sind überfüllt mit Spektakulärem,
aber der durchschnittliche Alltag verschwindet nicht durch
Scrollen. Das Öde und Anstrengende, alles, was Geduld und
Durchhaltevermögen erfordert, bleibt.
Johannes, der Seher, erspäht einen Christus, der sich nicht
blenden lässt von gefilterten Fotos auf Snapchat, von fantastischen
Filmchen auf Facebook, sondern das Übliche,
das Gewöhnliche im realen Leben wahrnimmt. Er schaut
auch hin bei allem, was nicht ins Tagebuch geschrieben, was
nirgends gepostet, was nicht einmal an der Kirchgemeindeversammlung
lobend erwähnt wird.
Gemeinden haben unterdessen Medienbeauftragte und
Zuständige für Social Media. Grossartiges muss angekündigt
werden, auch wenn es nicht lange vorhält. Events mit
berühmten Leuten sind sehr beliebt, aber sie gehen schnell
vorüber. Im Alltag der Kirche gibt es richtig viel Mühsames,
sogar echt «Langweiliges», zum Beispiel in der Seelsorge.
Wie gut, dass es geschieht. Noch besser, dass Gott es sieht!

Von: Dörte Gebhard

30. September

Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu
seiner ewigen Herrlichkeit in Christus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen.
1. Petrus 5,10

Dieser Lehrtext ist eine passende Antwort auf den Losungstext von heute: «Mach dich auf, hilf uns und erlöse uns um deiner Güte willen.» Angesichts unserer Berufung ist die Not, die wir empfinden und die uns unüberwindbar erscheint, eben doch nur Leiden für eine kurze Zeit. Hieraus werden wir, wenn sich, wie es der dritte Text im Losungsbuch formuliert, vor unseren Augen alles dreht, aufgerichtet und gestärkt, auf sicherem Boden stehend, hervorgehen. Das ist fast ein bisschen viel der Zusage. Reicht mir eine Bibellese, um mein Leiden an und mein Unverständnis für die Entwicklungen dieser Welt unter die Füsse zu bekommen? Der 1. Petrusbrief will uns das sagen. Wie haben es wohl unsere unter der Christenverfolgung leidenden Vorfahren aufgenommen? War es billiger Trost? Wahrscheinlich ist der Text in die Gemeinschaft hineingesagt, die in Verfolgung und Unterdrückung lebte. Da gab es zwei Dialogrichtungen. Die eine geht in Richtung der Losung, zu Gott: «Mach dich auf, uns zu helfen.» Die andere geht an unsere Gemeinschaft, wo wir Stärke und Gewissheit, Gründung erfahren können.
Das kann die Kirchgemeinde oder unsere Partnerschaft sein, wo wir die Verankerung in Christus leben und erfahren. Einander Zeugnis ablegen von der Gewissheit um Gottes Beistand ist grosser, kein billiger Trost. Dank sei Gott.

Von: Gert Rüppell

29. September

Ich bin dein, hilf mir. Psalm 119,94

Wir kennen sie möglicherweise, diese Aussage: Ich bin dein. Eine Aussage einem geliebten Menschen gegenüber, dem man sich ganz und gar anvertraut. Auch gibt es ein Kindergebet, das ich von früher kenne: «Ich bin dein, mein Herz ist rein, lass niemand drin wohnen als Jesus allein.» Mein Herz ist ohne Falsch und Trug. Diese Aussage stimmt wohl für beide erwähnten Zusammenhänge und auch für den Psalmisten. Psalm 119 ist eine grosse Aufzählung von Fallstricken des Lebens, die einem das unbedingte Zugehörigkeitsbewusstsein recht erschweren können. Und doch spricht aus dem grossen Gebet eine kleine Wahrheit. «Ich bin dein, hilf mir.» Ja, ich habe mich dir verpflichtet, aber ohne deine Hilfe schaffe ich es möglicherweise nicht, standhaft zu bleiben. Also bitte, hilf mir! Ich denke, dass dies über die Jahrtausende hinweg zwischen Mensch und Gott, aber auch von Mensch zu Mensch eine Konstante geblieben ist. Ja, ich bin dir zugewandt, aber bei allen Wirrnissen und möglichen Fallstricken brauchen wir einander als Stütze. Von Gott her brauchen wir die Gewissheit, dass seine Gnade uns beständig hält. Von unseren Mitmenschen und für unsere Mitmenschen benötigen wir den Willen, uns beizustehen, wenn die eigene Kraft nicht ausreicht. Dann können, dann sollten wir unseren Mitgeschöpfen, Partnern, Lebensgefährtinnen immer mal wieder zurufen: Ich bin dein und helfe dir aus all meiner Schwachheit heraus, so wahr mir Gott helfe.

Von: Gert Rüppell

28. September

Vergesst die Gastfreundschaft nicht. Denn auf diese Weise haben manche, ohne es zu wissen, Engel als Gäste aufgenommen. Hebräer 13,2

«Vergesst nicht» ist ein Imperativ, der unterstellt, dass die Adressaten des Briefs (zum Christentum übergetretene Juden) genügsam sind und die Gastfreundschaft vergessen haben könnten. Als Gäste dürften nicht Verwandte, die Nachbarn oder Freunde gemeint sein, sondern Fremde und die in der Bibel oft erwähnten Witwen und Waisen (Psalm 146,9). Im heutigen politischen Diskurs würden wir von Flüchtlingen sprechen. Und Fremde bzw. Flüchtlinge einzuladen, kann schwerfallen. Da gibt es Vorbehalte, weil sie unsere Sprache nicht sprechen, unbekannte und ungewohnte Verhaltensweisen zeigen, ungelegen kommen. Wir haben Hemmungen und laden lieber vertraute Gesichter ein. Das ist auch legitim, bereichern uns doch gute Gespräche bei feinem Essen und gutem Wein sehr. Oft aber bleiben sie auch im Belanglosen stecken, oder nicht? Wie wertvoll kann da eine neue Begegnung sein! Fremde Menschen, die von ihrer Welt und ihrem Leben, ihrem Glück und ihrer Not zu erzählen haben! Und vergessen wir auch das nicht: Engel sind Gottes Boten und sie haben besondere Nachrichten, für die wir empfänglich sein sollten. Wie haben sich wohl Abraham und Sarah gefreut, als ihnen die drei Gäste berichteten, dass ihnen in einem Jahr der gewünschte Sohn geboren werde (Genesis 18). Und wie wunderbar könnte es sein, wenn aus Begegnung Friede resultierte?

Von: Bernhard Egg

27. September

Jesus spricht: In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Johannes 16,33

Die Welt ist zum Fürchten.
Seit jeher, nicht erst seit wir
alle fürchterlichen Ereignisse
auf unseren Bildschirmen
mitverfolgen können.
Jesus hat gut reden:
Er hat sie überwunden, die Welt.
Und wir? Wir müssen leben damit,
dass so viel Schlimmes geschieht,
auch durch uns selbst verursacht.
Worin also liegt der Trost?
Vielleicht darin, dass uns
die Angst nicht überwältigt.
Dass wir in Beziehung bleiben
zu dem, was das Leben
gut macht und schön.
Ein Bild lässt mich nicht los:
Eine Frau liegt am Boden,
der schlafenden Tochter zugewandt,
die – in gleicher Haltung –
eine Puppe vor sich hat.
Ein Bild der Geborgenheit!
Aus einer U-Bahn-Station.

Von: Heidi Berner

26. September

Viele sagen von mir: Er hat keine Hilfe bei Gott. Aber du, HERR, bist der Schild für mich, du bist meine Ehre und hebst mein Haupt empor. Psalm 3,3–4

Manchmal brauchen wir Hilfe,
wenn es uns schlecht geht,
wenn wir nicht weiterwissen,
wenn wir den Kopf hängen lassen.
Dann ist es gut, wenn uns
jemand wieder aufrichtet,
uns den Rücken stärkt.
Psalmen sind voller Bilder,
die davon erzählen.
Wenn wir einander aufrecht
gegenüberstehen können,
sehen wir uns in die Augen.

Wenn wir uns beugen,
oder sogar verbiegen,
verpassen wir die Begegnung.
Aufrecht stehen und gehen ermöglicht
den Blick nach vorne, ins Weite.
Auch weg von uns, hin zu anderen,
in denen du, Gott, uns begegnest.
Hin zu anderen, die uns stärken
oder bei denen wir erkennen,
dass sie unsere Hilfe brauchen.

Von: Heidi Berner

25. September

Siehe: Der die Berge gemacht und den Wind geschaffen hat, der dem Menschen sagt, was er im Sinne hat – er heisst «HERR, Gott Zebaoth». Amos 4,13

Überrascht haben mich nicht die Hinweise auf Gottes Grösse, seine unbegrenzten Möglichkeiten, zu erschaffen, was ist, es zu bewegen und zu lenken. Auch der Namenszusatz «Zebaoth» gehört zum Bekannten und Vertrauten aus der Bibel und zu einigen Liedern, mit denen ich aufgewachsen bin: «Gott Zebaoth – Gott der himmlischen Heere». Beispiele aus der Kunstgeschichte bezeugen, wie Menschen sich Gott mit seinem himmlischen Hofstaat vorgestellt haben; erfreulicherweise sind die Heerscharen eher mit Harfen und Trompeten ausgerüstet als mit Schwertern und Hellebarden.
Überraschend bleibt jedoch die Zusage, dass Gott uns Menschen mitteilt, was er im Sinne hat. Wir sind nicht einem Schicksal ausgeliefert, dessen Sprünge und Haken wir unmöglich deuten und verstehen können. Gott nimmt uns als Gegenüber ernst. Wie eine Mutter ihrem kleinen Kind gegenüber nicht einfach macht, was sie macht, sondern beschreibt und erklärt, was sie tut, so auch Gott.
Meist übrigens nicht direkt durch eine himmlische Stimme, sondern vermittelt durch ein Bibelwort (eine Losung!), die Bemerkung einer Freundin, die Frage eines Nachbarn, eine Zeile aus einem Lied.

Von: Benedict Schubert

24. September

Hilf du uns, Gott, unser Helfer, um deines Namens
Ehre willen! Errette uns und vergib uns unsere Sünden um deines Namens willen!
Psalm 79,9

Viele fassen das Wort «Sünde» nur noch mit spitzen Fingern und gerümpfter Nase an, wenn sie es nicht überhaupt tief in einer Schublade liegen lassen. Sie finden – leider nicht ohne Gründe –, es rieche zu säuerlich nach kleingeistiger Moral.
Keine Frage: Sünde kann nicht ohne erklärende Sätze verwendet werden. Doch solche Sätze müssen wir suchen und finden, damit dieser wesentliche Aspekt nicht verlorengeht, der mir auch im heutigen Psalmvers entgegenkommt: Diejenigen, die Sünde bekennen, übernehmen Verantwortung. Sie anerkennen, dass sie sich nicht alles erlauben können und dass sie nicht einfach Opfer sind. Beides scheint mir heute allzu weit verbreitet. Vor zwanzig Jahren gehörte es für Verantwortliche in Politik und Wirtschaft noch selbstverständlich zum guten Ton, nach einem Fehler ein Amt abzugeben. Heute wird abgewiegelt, hemmungslos gelogen, weitergemacht. Und viele sehen sich gerne als Opfer. Ich stelle zum Beispiel mit Befremden fest, dass es ältere weisse Männer wie mich gibt, die darüber jammern, sie seien Opfer der Gleichberechtigung, und übersehen, mit wie vielen Vorrechten sie lebten und leben. Ewiger, vergib! Nüchtern ehrliches Sündenbewusstsein erleichtert das Leben für mich und mein Umfeld.

Von: Benedict Schubert

23. September

Gott hat uns nicht zur Unsittlichkeit berufen, sondern zu einem Leben in Heiligkeit. 1. Thessalonicher 4,7

Heute hatte ich mit einer 8. Klasse die letzte Musikstunde vor den Sommerferien. Wir spielten «Werwölfe», wie das halt so ist, wenn man noch eine Stunde zu füllen hat. Die Jugendlichen selbst waren die Spielleiter. Und sie redeten auch in ihrer eigenen Sprache, das heisst, sie benannten sich auch ab und zu mit Wörtern, die abwertend waren, für sie aber wahrscheinlich «nur Spass» waren. Nicht Ernst. Irgendwann kam dann ein begabter Spielleiter, der sie alle in Bann zog, und die Schimpfwörter waren weg. Zum Glück. Aber ich habe mich später geschämt. Dafür, dass ich nicht entschiedener aufgetreten bin und nur ein paar kraftlose, zischende Zurechtweisungen von mir gegeben habe. Das Ganze nicht mehr thematisiert habe. Dabei hatte ich doch gerade noch eine Sendung am Radio gehört, in der es darum ging, wie gefährlich es ist, wenn wir uns an Gewalt in der Sprache gewöhnen. Dass dann auch andere Formen von Gewalt salonfähiger werden.
Ich bin überzeugt, die genannten Jugendlichen sind und werden alle keine unsittlichen Menschen. Das Unsittliche fällt diesmal auf mich, denn ich bin erwachsen. Und ich finde den Satz wunderbar, der dem Vers folgt: dass Gott doch seinen Heiligen Geist in die Menschen gelegt habe. Also soll auch ich Hüterin davon sein. Vom Heiligen Geist in mir. In meinen Mitmenschen. In unserem Zusammenleben.

Von: Katharina Metzger

22. September

Ich habe nicht meine eigene Gerechtigkeit, die aus
dem Gesetz kommt, sondern jene Gerechtigkeit
durch den Glauben an Christus, die aus Gott kommt aufgrund des Glaubens.
Philipper 3,9

Ich war einmal an einem Kurs, in dem es um Wahrnehmung ging. Die Kursleiterin sprach von «Glaubenssätzen», die sich in uns festigen. «Ich bin gut so, wie ich bin» oder «Nur wenn ich allen alles recht mache, werde ich geliebt» sind zwei unterschiedliche Beispiele dafür. Durch diese Glaubenssätze «filtern» wir dann auch, wie sich die anderen zu uns verhalten. Zur Veranschaulichung dieser «Filter» hat die Kursleiterin ein Bild mit vielen unterschiedlichen Brillen gezeigt und gesagt: «Alle haben ihre eigene Wahrheit.»
Warum komme ich darauf? Zuerst einmal, weil Paulus gerade nicht einer ist, der für ein gleichberechtigtes Nebeneinander unterschiedlicher Auffassungen steht. Ihm geht es klar darum, dass sich die Gemeinden an Jesus Christus ausrichten. Weiter vorne aber spricht Paulus von seiner Herkunft und seiner damaligen Überzeugung, durch seine Ausrichtung am Gesetz und durch seine Taten ein «Gerechter» gewesen zu sein. Die Loslösung von diesen «Glaubenssätzen» muss heftig gewesen sein – und befreiend, so, wie es auch das Erkennen und Sich-Lösen von unseren eigenen Glaubenssätzen sein kann.
Und Paulus? Er möchte Christus gewinnen und in ihm sein, in seinen Leiden, seinem Tod, seiner Auferstehung.

Von: Katharina Metzger