Kategorie: Mittelteil

Mittelteil September / Oktober

Mission 21 im Südsudan – Der Wert von Entwicklungsprojekten im Krieg

Seit mittlerweile zehn Jahren arbeite ich für Entwicklungsprojekte
von Mission 21 im Südsudan. Nicht im Sudan, dem
Land, das alle kennen, sondern im Südsudan, dem jüngsten
Land der Welt, südlich des Sudan. Im Jahr 2011 hat es nach
jahrzehntelangem Krieg die Unabhängigkeit vom grossen
muslimischen Bruder, dem Sudan, erlangt. Und seit 2013
befindet es sich erneut im Bürgerkrieg.

Ja zur Hilfe für das Hier und Jetzt
Nach so vielen Jahren und der tiefen Verbundenheit mit dem
Land und den Menschen, die dort leben, fragen mich viele,
ob ich es nicht leid bin, dafür zu arbeiten. Ob es sich noch
lohnt, überhaupt etwas aufzubauen, das sowieso wieder im
Krieg zerstört werden kann. Natürlich fragte ich mich das
früher auch, war frustriert, weil man scheinbar stagnierte.
Immerhin sind wir so erzogen worden, nachhaltig zu handeln,
nichts zu zerstören, Sachen wertzuschätzen, so lange
wie möglich zu nutzen. Eine Anschaffung war etwas Langfristiges.
Aber wir befinden uns nicht in Europa, sondern im Südsudan.
Wenn wir hier Solaranlagen auf Dächer von Instituten
und Bürogebäuden bauen, die eventuell gestohlen oder
zerstört werden, ist es das überhaupt wert?

Ein klares Ja hierzu. Denn die Menschen, die dort leben,
sind es wert, dass es für sie weitergeht. Sie leben in ständiger
Angst in einem Konflikt, der unberechenbar ist. Aber
deshalb abzuwarten, sie hinzuhalten, zu schauen, wie es sich
entwickelt, ist auch keine Lösung, denn die Menschen leben
im Hier und Jetzt. Sie planen nicht so weit im Voraus, weil
sie es nicht können.
Solaranlagen versprechen Strom ohne laute Generatoren
und stinkenden Diesel. Etwas Unschätzbares im Südsudan,
wo es kaum Stromleitungen gibt. Sie pflegen und schätzen
aber die Dinge, die sie haben. Viel mehr, als wir es womöglich
tun. Kleider werden immer wieder ausgebessert, ausgelassen
oder enger gemacht. Geräte werden repariert und
weitergenutzt. Technische Geräte, wie Handys, müssen nur
funktionieren. Das Neuste braucht man nicht.
Und unsere Projekte von Mission 21, lohnen die sich denn?
Ebenfalls ein klares Ja!

Hebammenschule, Kinderzentrum, Frauenarbeit
Es lohnte sich, die Hebammenschule zu bauen. Sie bietet
im Moment 78 Studierenden eine Ausbildungsmöglichkeit
in einem Berufsfeld, das in kaum einem anderen Land so
dringend benötigt wird. Die Kindersterblichkeit liegt bei
99 Todesfällen pro 1000 Geburten. Ausserdem sterben im
Südsudan täglich zehn Mütter an Geburtskomplikationen.
Für uns eine unvorstellbare, weit entfernte Realität. Jede
einzelne Geburt, bei der Mutter und Kind überleben, ist es wert, dass wir die Hebammenschule gebaut haben und das
Projekt insbesondere in Krisenzeiten weiterführen.
So hilft auch jeder Franken, der in unser Kinderzentrum
Muhabba geht, dass die Kinder dort dreimal am Tag eine
Mahlzeit bekommen, dass sie zur Schule gehen können und
dass sie einen sicheren Platz zum Leben und Spielen haben
und nicht Gefahr laufen, auf der Strasse als Kindersoldaten
rekrutiert zu werden.
Auch persönliche Belastungen im Zusammenhang mit
unserer Frauenarbeit, in der Betroffene von sexueller Gewalt
darin bestärkt werden, eigene Projekte zu realisieren, und
gleichzeitig die Möglichkeit haben, über ihr Erlebtes in einem
geschützten Raum zu sprechen, sind es wert, sie zu tragen.

Wertefragen
Ganz aktuell ist die Lage im Südsudan in manchen Regionen
sehr alarmierend. Aktuell sind etwa 7,7 Millionen Menschen
von akuter Nahrungsmittelknappheit betroffen. Das sind
etwa 65 Prozent der Bevölkerung. Mission 21 leistet momentan
Soforthilfe. Das heisst, es werden Nahrungsmittel, Medikamente
und andere Güter des täglichen Bedarfs in diesen
Regionen verteilt. So ist jedes unserer Projekte es wert, auch
im Krieg weitergeführt zu werden.
Was bedeutet es eigentlich, «es wert zu sein»? Wie viel ist
ein Menschenleben wert? Wie viel ist es wert, einen sicheren
Schlafplatz zu haben? Wie viel ist uns Sicherheit wert? Wie
viel ist uns Gesundheit wert? Oft weiss man erst eine Antwort auf diese Fragen, wenn man selbst in eine Situation kommt, wo dies nicht mehr
selbstverständlich ist. Da es für die meisten von uns aber
selbstverständlich ist, haben wir die Möglichkeit, über unseren
Tellerrand zu schauen und uns mit der Frage zu beschäftigen.

Hoffnung auf Frieden nicht aufgeben
Was können Sie in der Schweiz, in Europa für die Menschen
im Südsudan tun? Sie nicht vergessen, auch wenn die Präsenz
in den Medien verschwindend gering ist. Ausserdem
sollten wir die Hoffnung nicht verlieren. Das bedeutet auch
für Mission 21, im Land zu bleiben und die Projekte weiterzuführen.
Ein guter Freund aus dem Südsudan sagte einmal
zu mir: «Wenn ihr in der Schweiz noch an uns glaubt, wieso
sollten wir dann die Hoffnung auf den Frieden aufgeben?»
Und wir glauben ganz klar daran. Daran, dass der Südsudan
eines Tages ein Land des Friedens ist, wo man sich frei bewegen
kann und Kinder ganz ohne Angst aufwachsen und sich
entwickeln können. Wir glauben und sehen, dass unsere
Projekte das Leben der Menschen vor Ort jeden Tag immer
etwas besser machen. Und dies ist für uns und die Menschen
im Südsudan unbezahlbar.

Für mehr Informationen:
https://m-21.org/kooperationsprogramm-suedsudan

Von: Dorina Waldmeyer, Programmverantwortliche Südsudan


Mittelteil Juli / August

Ein Tag voller Spiele, Musik, Begegnungen und Freude

Boldern feierte am 12. April 2025 die Einweihung des neuen, naturnahen Spielplatzes «Hermelin» auf Boldern in Männedorf – ein Fest für die ganze Familie hoch über dem Zürichsee.

Bei strahlendem Sonnenschein und frühlingshaften 20 Grad feierten die Stiftung Boldern und das Hotel Boldern am Samstag die Eröffnung des neuen Spielplatzes «Hermelin». Über 300 Besucherinnen und Besucher – vor allem Familien aus der Region – strömten auf das weitläufige Areal oberhalb von Männedorf und genossen einen Tag voller Spiele, Musik, Begegnungen und Freude.

Urs Häfliger, Co-Stiftungsratspräsident, und Daniel Walser, Stiftungsrat und Projektleiter, begrüssten die Gäste, gaben einen Rückblick auf die Entstehungsgeschichte und hiessen Ehrenpräsidentin Madeleine Strub-Jaccoud sowie Gemeindepräsident Wolfgang Annighöfer willkommen.

Die Grundsätze: Biodiversität und Inklusion
Der Spielplatz «Hermelin» entstand auf einer rund 1000 Quadratmeter grossen Wiese gleich anschliessend an das Hotel Boldern. Er wurde naturnah gestaltet und unterstreicht den Biodiversitätsgedanken der Stiftung Boldern. Inklusion ist für die Stiftung zentral: Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen finden hier einen Ort zum Bauen, Balancieren, Staunen und Entdecken. Spielbach, Naschgarten, Hügellandschaft und viele kreative Elemente laden zum Erkunden ein. Ergänzt wird der Platz durch einen Pavillon, der künftig auch für Kindergeburtstage gemietet werden kann.

Attraktionen für Kinder am Eröffnungsfest
Ein Highlight für die kleinen Gäste war der Sandburgen-Wettbewerb, bei dem im Sandkasten fantasievolle Bauwerke entstanden – alle teilnehmenden Teams wurden am Nachmittag prämiert. Die Kinder testeten begeistert sämtliche Spiel- und Kletterelemente, von Rutschbahn über Leitern und Wasserspiele bis hin zum 100 Quadratmeter grossen Sandkasten. Weitere Highlights waren das Kinderschminken,
bei dem farbenfrohe Sujets auf die strahlenden Kindergesichter gezaubert wurden, und das Büchsenwerfen.
Die festliche Live-Musik rundete das Eröffnungsprogramm stimmungsvoll ab. Für das leibliche Wohl sorgte die Hotelküche mit Wienerli, die Stiftung spendierte den Gästen Schlangenbrot zum Selberbacken, Marshmallows und Sirup – das Angebot fand reissenden Absatz.

Weshalb heisst der Spielplatz Hermelin?
Kaspar Hitz von der benachbarten Anna Zemp-Stiftung stellte das scheue Raubtier Hermelin vor – ein Tier, das seit der Umstellung von einer konventionellen auf eine naturnahe Bewirtschaftung der Grünflächen sporadisch auf Boldern beobachtet werden kann. Das Hermelin benötigt für sein Jagdgebiet zahlreiche Verstecke wie Ast- oder Steinhaufen, Hecken, Gehölze und andere natürliche Strukturen.
Diese Strukturen tragen zur Biodiversität bei und schaffen einen Lebensraum für viele verschiedene Tierarten. Das Hermelin ist deshalb ein Indikator für die Wirksamkeit von Naturschutzmassnahmen. Die Stiftung Boldern ist stolz auf die Rückkehr des Hermelins in den Landschaftspark Boldern und hat deshalb entschieden, den Spielplatz zu Ehren des Tierchens «Hermelin» zu nennen.
Der Eröffnungstag hat eindrucksvoll gezeigt, wie sehr der neue Spielplatz das Boldern-Areal bereichert. Er steht für eine offene, generationenverbindende Zukunft – und ist bereit für viele unvergessliche Spielstunden.

Dank
Ein besonderer Moment war die feierliche Verdankung aller Unterstützerinnen und Unterstützer, denn ohne sie wäre das Projekt nicht zustande gekommen: Rund 40 000 Franken wurden via Crowdfunding auf Lokalhelden.ch gesammelt, weitere 45 000 Franken kamen durch Sach- und Arbeitsleistungen von Unternehmen und Gewerbe aus der Region hinzu, insbesondere im Zusammenhang mit der Wohnüberbauung Tilia unterhalb vom Hotel Boldern. Ein Betrag von 45 000 Franken ist noch offen und wird von der Stiftung Boldern getragen.


Die Stiftung Boldern und das Hotel Boldern bedanken sich herzlich bei allen Beteiligten und freuen sich auf viele kleine und grosse Besucherinnen und Besucher – zum Beispiel im Rahmen einer Veranstaltung von «Boldern inspiriert»: boldern-inspiriert.ch

Von: Dominique Meier

Mittelteil Mai / Juni

Stiftung Boldern – Projekte


Die gemeinnützige Stiftung Boldern fördert gemäss Stiftungszweck
die Begegnung von Menschen, die sich für eine
solidarische Gesellschaft und nachhaltige Lebensräume
einsetzen. Sie initiiert die Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen,
theologischen, ökologischen und kulturellen
Themen.
Neben der Herausgabe der Bolderntexte, die schon seit
65 Jahren erscheinen, beschäftigt sich die gemeinnützige
Stiftung Boldern mit unterschiedlichen Geschäftsfeldern
und Projekten. Es freut uns, Ihnen einige vorzustellen.

Veranstaltungsreihe «Boldern inspiriert»
Die «Boldern inspiriert»-Anlässe – initiiert 2016 durch Hans
Strub – sind ein wichtiges Standbein von Boldern. Seit 2022
stellt eine zehnköpfige Veranstaltungskommission jedes Jahr
ein abwechslungsreiches Programm zusammen, das unseren
Gästen ermöglicht, neue Themenbereiche kennenzulernen,
spannende Lebensgeschichten zu hören, namhaften Persönlichkeiten
zu begegnen und ihre eigenen Fragen zu stellen.
Abgerundet wird der Abend mit einem köstlichen Apéro
vom Hotel Boldern. Am Ende des Hefts finden Sie die kommenden
Anlässe von «Boldern inspiriert».

Hotel Boldern
Durch die traumhafte Lage bietet sich den Besuchenden von
Boldern eine atemberaubende Sicht über den Zürichsee und
in die Berge, allen voran Rigi und Pilatus. Im Sommer lockt
die grosszügige Terrasse zu einem Aufenthalt.
Das Hotel Boldern ist der Ort zum Verweilen und Geniessen.
Lassen Sie sich in die Federn fallen und gönnen Sie sich
in einem der 59 Einzel- und Doppelzimmer die Aussicht auf
Zürichsee und Berge oder den Wald von Männedorf bequem
vom Bett aus. Auch rund ums Hotel Boldern gibt es vieles
zu entdecken! Während sich Energiebündel im Fitnessraum
oder auf dem Vita Parcours wohlfühlen, geniessen Dichterinnen
und Denker die Ruhe der umgebenden Natur.
Das Fleisch aus dem Dorf, die Eier von nebenan, der Käse
vom Bachtel und das Gemüse aus der Region – frischer
lassen sich die Gerichte nicht auf die Teller des Restaurants
zaubern. Gäste werden täglich mit saisonalen Köstlichkeiten
verwöhnt, nicht zuletzt auch mit Zutaten aus dem eigenen
Garten. Ob Weihnachtsessen, Familienfest oder ein anderer Event –
unsere Räumlichkeiten laden zum Feiern ein. Leidenschaftlich
organisieren, dekorieren und servieren wir, damit Sie sich
amüsieren können!
Für weitere Informationen besuchen Sie unsere Website:
www.boldern.ch


Wohnbauprojekt «tilia»
Am 25. Mai 2024 ging es endlich los! Die Stiftung Boldern
feierte den symbolischen Spatenstich für das neue Quartier
«tilia» in Männedorf oberhalb des Zürichsees.
Boldern ist es ein grosses Anliegen, dass die künftigen
Wohnbauten samt Freiräumen sorgfältig entwickelt wer-
den und architektonisch überdurchschnittlich gestaltet sind.
Aus den Arbeiten von fünf Architekturbüros ging diejenige
von Raumfindung Architekten aus Rapperswil als Siegerin
hervor. Das Projekt nennt sich «tilia» – Hommage an die
grosse Linde vor dem Hotel – und überzeugt, weil es sich
gut ins Ortsbild einfügt und viel Grün- und Freiraum bietet.
Auf einer Fläche von 15 000 Quadratmetern entstehen
acht Gebäude mit insgesamt sechzig modernen Wohnungen.
Das Projekt fördert eine gesunde Durchmischung von
Familien und Einzelpersonen und bietet an sonnenverwöhnter
Lage atemberaubende Seesicht für drei Viertel der Wohnungen.
Die künftigen Mieteinnahmen dienen der Erfüllung
des Stiftungszwecks.

Die Aussicht auf den See und in die Berge sowie die Nähe zur Stadt
Zürich, zu regionalen Wanderwegen und zum Hotel Boldern sind
nur einige positive Attribute, die die Wohnüberbauung «tilia» einzigartig
machen. Für weitere Informationen besuchen Sie unsere Website:
https://boldern-tilia.ch/

Arbeitsintegration
Als Partnerbetrieb von «Appisberg – Abklärung Ausbildung
Integration» ermöglichen die Stiftung und das Hotel Menschen
mit besonderem Förderbedarf, eine Ausbildung zu
absolvieren, die in den ersten Arbeitsmarkt integriert ist.
Die Lernenden werden von Appisberg-Job-Coaches begleitet
und in vielen Bereichen wie Lernplanung, gesundheitlichen
Einschränkungen, Krisenintervention und Konfliktmanagement
unterstützt.
Im Hotel Boldern sind sie ein wichtiger Teil des Teams und
arbeiten während ihrer Ausbildung bereits aktiv im ersten
Arbeitsmarkt mit. So stärken wir den Werkplatz Schweiz und
gemeinsam mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen –
unsere Branche.


Von: Dominique Meier, Geschäftsleiterin Stiftung Boldern

Mittelteil März / April

Ostertexte, Heidi Berner

Die folgenden Texte sind lauter Versuche zu Ostern für den «Aargauer Kirchenboten» im Jahr 2006. Der letzte Text wurde damals publiziert, zusammen mit dem Bild. Dieser Text entstand aus meinen Erfahrungen als Sozialvorsteherin in unserer Kleinstadt und bezieht sich auf hoffnungslose Sozialfälle, bei denen ich versucht war, sie fallen zu lassen.

Auferstehung
Immer wieder
Aufstand der Liebe
gegen die Herrschaft des Hasses.
Immer wieder
Aufstand der Hoffnung
gegen die Herrschaft der Angst.
Immer wieder
Aufstand des Lebens
gegen die Herrschaft des Todes.

Naturgesetze
Aufhebung der Naturgesetze,
um uns zu überzeugen von der Einzigartigkeit
des Wanderpredigers aus Galiläa –
muss das sein?
Verrückte Steinblöcke,
um uns begreiflich zu machen die Allmacht
des Auferstandenen –
muss das sein?
Menschen in Aufruhr,
hoffend, zweifelnd, ihren Sinnen nicht trauend
ungläubig glaubend –
muss das sein?
Nein,
die Naturgesetze sind nicht aufgehoben,
damals wie heute sterben Menschen
einen qualvollen Tod
durch Natur- und Menschengewalt.
Und dennoch:
Wider alle Vernunft glauben
an die Kraft der Liebe und des Lebens –
das müsste sein.


Frauensache
Damals waren es Frauen,
die es wagten,
nahe zu bleiben,
als es zu Ende ging
mit ihm,
auf den sie gehofft hatten.
Damals waren es Frauen,
die es wagten,
hinzugehen zum Grab,
um ihn zu salben,
ihn,
dem sie vertraut hatten.
Als er nicht dort war,
verstanden sie bald:
Er ist nicht umzubringen,
der,
an den sie geglaubt hatten.

Zurück ins Leben
Wenn die Welt ins Wanken gerät
und kein Seismograph
die Erschütterung aufzeichnet.
Kein Ausschlag auf der Richterskala
und dennoch –
nichts ist mehr, wie es war.
Eine Erleuchtung, die Klarsicht bringt,
die Botschaft – von Engeln verkündet –
offensichtlich, für jene,
die genau hinschauen:
Wendet euch um –
zurück ins Leben!

Ostern
Sooft wir andere
endgültig fallen lassen,
tragen wir bei zu Tod und Kreuz.
Und wir selber
fallen mit.
Gott sei Dank
für die trotzige Kraft
in allem Lebendigen:
Durch Asphalt und Mauerritzen
keimt sie und spriesst sie,
verrückt Steine und Felsbrocken,
verwandelt tote Materie
in leuchtende Blüten.
Sooft wir an das Wunder
zu glauben wagen,
dass unser Fallen nie endgültig ist,
keimt neue Hoffnung
für alle.
Und die trotzige Kraft
tief in uns drinnen
verrückt Ängste und Vorurteile,
verwandelt Kreuz und Tod
in blühendes Leben.

Von: Heidi Berner

Mittelteil Januar / Februar

Gedanken zur Jahreslosung von Hans Strub

Prüft alles und behaltet das Gute! 1. Thessalonicherbrief 5,21

«Heb der Sorg! Und bhüeti Gott!» So sagte meine Grossmutter
oft beim Abschied. Die vertrauten Wünsche taten
gut. Aber je älter ich wurde, desto weniger verstand ich, was
damit gemeint sein sollte. Anders als im «Behüte dich Gott»,
mit dem ich dem Schutz einer anderen, höheren Instanz
anbefohlen wurde, erhielt ich mit dem ersten Satz einen,
wie mir schien, unmöglichen Auftrag: Was war eigentlich
gemeint? Wie könnte ich das selber bewirken für mich? Es
dauerte einige Zeit, bis ich merkte, dass mir damit nicht nur
Verantwortung für mein eigenes Leben übertragen, sondern
auch die Freiheit zugesagt wurde, mit ihm zu machen, was
mir geeignet oder tauglich schien für meine Gegenwart und
Zukunft. Ich bin zugleich schutzbedürftig und selbstverantwortlich.
Ich darf mit Gottes Behütung rechnen, und ich
darf, nein, ich muss! auch für mich selbst sorgen.

Die Quelle
Am Ende des ältesten überlieferten Paulusbriefs (und damit
des ältesten Textes im Neuen Testament!) stehen vor den
Grussworten einige knappste Sätze, die sich wie eine Zusammenfassung
von Verhaltensweisen lesen, die sich aus dem
neuen Glauben ergeben, der im Leben, in den Handlungen
und den Worten des Jesus von Nazareth gründet. Von ihm
Mittelteil
ist Paulus bekehrt worden – nun wird aus dem Bekehrten
der leidenschaftliche Verkünder seiner Taten und Reden. An
die kürzlich gegründete Gemeinde in Saloniki (Griechenland)
schreibt er:
«Freut euch immer, hört nicht auf zu beten, sagt Dank in
jeder Lage, denn dies will Gott von euch in Christus Jesus.
Löscht die Geistkraft nicht aus, verachtet Prophezeiungen
nicht, doch prüft alles und behaltet das Gute. Haltet euch
vom Bösen fern, wie auch immer es aussieht!» (Übersetzung
aus «Bibel in gerechter Sprache» und «Basisbibel»)


Das Gute
Das Gute (griechisch: to kalón) meint das, was für mich
taugt, was meinem Leben gleichzeitig Boden und Zukunft
geben kann. Was zu mir passt, für mich also geeignet ist, gut
ist für das Eigene, was meiner äusseren und inneren Lebensform
entspricht, was meine «persona» (so, wie ich bin im
umfassenden Sinn) unterstützt und fördert. Das also, was
ich brauche, um so zu leben, wie es in mir angelegt ist und
wie ich es mir angeeignet und damit zu einem integralen,
unablösbaren Teil meines Selbst gemacht habe.


Prüfen
Das kommt mir aber nicht automatisch zu, von selbst, von
aussen oder vom Himmel geschickt, sondern da werde ich
nun eingeladen (oder noch mehr: aufgefordert, gar herausgefordert),
alles, was um mich ist, was auf mich zukommt,
was mir attraktiv erscheint, was mich begeistert … genau
anzuschauen, zu erwägen, eben zu «prüfen» (griechisch:
dokimázete). Also nicht spontan, ohne nachzudenken etwas
nehmen und mir zu eigen machen, mich etwas hinzugeben,
für das ich später Begründungen finden muss, die mir selber
nicht mehr klar werden, zum Beispiel einer Sache, einer verlockenden
Aufgabe, einer politischen Idee oder einer auf den
ersten Blick schlüssigen Theorie. Das «Prüfen» ist zweifellos
ein wichtiger Vorgang, aber auch ein oft zu schwerfälliger,
der mich geradezu am Leben hindert.


Behalten
Da kommt mir das andere Verb im kurzen Satz entgegen:
«behaltet» (griechisch: katéchete). Es hat für mich einen liebevollen,
entgegenkommenden, entlastenden Oberton: Haltet
das, was sich beim Prüfen als Ergebnis ergeben hat, erst
einmal fest – und testet es aus. Beobachtet genau, wie es bei
euch und in euch, auf euch und durch euch wirkt. Nehmt es
als vorläufige Orientierung und schaut, ob es wirklich taugt.
Seid dabei aufmerksam und selbstkritisch und seid ehrlich
bereit, allfällige Unstimmigkeiten, Ungenauigkeiten festzustellen
und zu verändern (im Unterricht in Chemie und
Physik habe ich gelernt, dass das Experiment immer recht
hat!). Das bedeutet dann halt, den ganzen Prozess erneut
zu starten und durchzuziehen, auch wenn’s mühsam ist …

Für alle
Ein Weiteres kommt hinzu: Erst im letzten Abschnitt habe
ich das Briefzitat wirklich wörtlich genommen: Es ist im
Plural geschrieben und an die junge Gemeinde in Thessalonich
gerichtet. Es passt durchaus auch auf jede/jeden Einzelnen,
aber hier spricht Paulus ganz klar von «ihr/euch».
Das heisst, dass der beschriebene Prüfprozess als Gemeinde,
als Gemeinschaft durchlaufen werden soll – die gewählten
Verbformen sind eindeutige Imperative und meinen, dass
das zu einer Gemeinde in der Nachfolge Christi gehört.
Fast alle Anweisungen im Alten und im Neuen Testament
sind im Plural formuliert, zentrale Beispiele sind die Zehn
Gebote oder das Unservater. Der Glaube, von dem die ganze
Bibel spricht, ist kein individualistischer, sondern er ist auf
die Gemeinschaft der Glaubenden gerichtet. Und darüber
hinaus letztlich auf alle anderen und auf die ganze Welt.
Wenn in der Jahreslosung vom Prüfen und Behalten die
Rede ist, dann geht das also weit über das Persönliche hinaus;
es ist eingeschlossen und mitgemeint, aber die Anforderungen
und Herausforderungen erschöpfen sich nicht darin. Sie
betreffen das Leben aller Menschen (im ersten Testament
steht dafür sehr oft der Begriff «Volk»), wo immer sie auch
sind, was immer sie auch beschäftigt, wo immer auch Armut
herrscht oder Ungerechtigkeit oder Krieg. Das ist immer
etwas, das die ganze Gemeinde betrifft.


Für heute
Oder für heute übersetzt: alle Kirchen und Gemeinschaften
von Menschen, die ganze Politik. Es gibt keine Bereiche, die
nur bestimmte Gruppen etwas angehen. Im «ihr/euch» sind
immer alle dabei. Hunger oder Krieg gehen alle etwas an.
Und alle sind aufgerufen, hier das Rechte zu tun!
Politisches Denken ist den Glaubenden genauso aufgetragen
wie diakonisches Handeln gegenüber den Schwachen
der ganzen Gesellschaft.


Wünsche
«Heb der Sorg! Und bhüeti Gott!»
Die eingangs wiedergegebenen Wünsche auf den Weg sind
zwar individuell adressiert, aber eigentlich stehen sie in
einem viel weiteren Rahmen.
«Hebed euch Sorg!» und «Bhüet euch Gott!»
So betreffen die Wünsche den Weg der ganzen Gesellschaft
dieser Welt. Uns allen ist Gottes Schutz zugesagt, uns allen
kommt die Aufgabe zu, zu prüfen, was für alle jetzt gut und
tauglich ist, damit die Welt eine gute Zukunft hat!
Auf ein gutes Jahr!

Von: Hans Strub

Mittelteil November / Dezember

Katharina von Zimmern: Ein Reformationsjubiläum

2019 wurde das Zwingli-Jubiläum in Zürich gefeiert. Besondere
Aufmerksamkeit erhielt der Kinofilm «Zwingli»
von Stefan Haupt. Unvergessen der Auftritt von Äbtissin
Katharina von Zimmern, wie sie dem Bürgermeister von
Zürich den Schlüssel der Abtei Fraumünster hinlegt. Wer
hätte gedacht, dass Katharina von Zimmern 2024 selbst
im Zentrum eines Jubiläums stehen würde? Vor 500 Jahren
machte sie mit der Übergabe der Abtei am 8. Dezember 1524
den Weg frei für die praktische Umsetzung der Reformation.

Wer war Katharina von Zimmern?
Katharina stammte aus einer hochadeligen und humanistisch
gebildeten Familie. 1488 kam sie als Flüchtlingskind
nach Weesen. Ihrem Vater, der in Reichsacht gefallen war,
gelang es, sie zusammen mit ihrer Schwester in der Abtei
Fraumünster unterzubringen. 1496 wurde Katharina mit nur
18 Jahren zur Äbtissin gewählt.
Als Fürstäbtissin war sie Stadtherrin, nahm Repräsentationspflichten
wahr und siegelte als geschickte Unternehmerin
die Geschäfte der begüterten Abtei. Katharina
schmückte die Kirche neu aus und förderte den Chorgesang.
Sie liess einen neuen Äbtissinnenhof bauen. Katharina gab
während ihrer 28 Jahre langen Amtszeit nie zu Tadel Anlass,
was von Takt und Tüchtigkeit zeugt. Dass sie mit grosser
Wahrscheinlichkeit als Äbtissin eine Tochter geboren hatte,
konnte sie geheim halten.

Die Stadt vor Unglück und Ungemach bewahren
Im Januar 1519 begann Ulrich Zwingli das Evangelium auszulegen.
Jeden Freitag, wenn auf dem Münsterhof Markt
gehalten wurde und viel Volk aus der Landschaft herbeiströmte,
hielt er seine brisanten Predigten auch im Fraumünster.
Damit trug Katharina von Zimmern zur Verbreitung
der Reformation bei. Befürworter und Gegner der
«neuen Lehre» bemühten sich um sie. Der Druck auf die
Äbtissin nahm stark zu. Schliesslich rang sie sich dazu durch,
die Abtei aufzugeben. In der Ratsnotiz vom 30. November
1524 heisst es zu den Beweggründen von Katharina:
Das aber hätte der Stadt Zürich und Ihrer Gnaden selber
gar bald «gross unruoh und ungemach» bringen können.
Dies aber wolle Ihre Gnaden, soweit das in ihrem Vermögen
stehe, verhindern und für die Stadt Zürich tun, was dieser
«lieb und dienst sye».

Der Zeiten Lauf
Katharina brachte die Geschichte der hochangesehenen
Abtei Fraumünster zum Ende. Sie verzichtete auf ihre Position
und nahm zudem die Ächtung durch ihre katholisch
gebliebene Familie in Kauf. In der Übergabeurkunde betonte
sie, dass sie sich ohne Zwang entschieden habe, weil es, wie
die Dinge sich gestalteten, an der Zeit sei. Der Rat seinerseits
sicherte Katharina von Zimmern zu, sie zu beschützen, und
beliess sie als wohl einzige Bürgerin der Stadt «unbevogtet».
Katharina behielt das Wohnrecht in der Abtei und erhielt
lebenslang eine grosszügige Rente.

Die Heirat
1525 verheiratete sich Katharina mit 47 Jahren mit dem Söldnerführer
und württembergischen Diplomaten Eberhard
von Reischach. Da er in Zürich geächtet war, zog sie zu ihm
nach Schaffhausen und später nach Diessenhofen. Sie gebar
noch zwei Kinder. Eberhard von Reischach wurde später
begnadigt, kehrte mit der Familie zurück nach Zürich und
fiel im Herbst 1531 in der Schlacht bei Kappel. Katharina von
Reischach lebte noch 16 Jahre lang hochangesehen als Witwe
mit ihrer Tochter an der Oberdorfstrasse und am Neumarkt.
In den Akten der Stadt erschien sie bis zu ihrem Tod am August 1547 als «die eptissin».

Was bleibt
Die Übergabe der Abtei Fraumünster war aussergewöhnlich
und die erste ihrer Art in Europa. Juristisch war der Entscheid
von Katharina von Zimmern vertretbar, doch es brauchte
Entschiedenheit, noch unbegangene Wege zu gehen. Die
Zürcher Reformation mündete wenig später in die Schlachten
von Kappel, was erst recht nötig macht, Katharina von
Zimmern und ihren Beitrag zum Frieden der Stadt zu würdigen.

Von: Jeanne Pestalozzi, Mitglied der Plattform www.katharina2024.ch

Mittelteil September / Oktober

Boldern gibt Jugendlichen eine Chance

Boldern ist ein einmaliger Ort, der Menschen begeistert,
wo Menschen sich begegnen, sich mit gesellschaftspolitischen,
theologischen, ökologischen und kulturellen Themen
auseinandersetzen und sich herausfordern lassen. Eine ungezwungene,
herzliche Gastfreundschaft im Hotel Boldern trägt zum Wohlbefinden der Gäste bei.
Wir freuen uns, dass nach den Sommerferien 2024 ein neues Kapitel in der Geschichte Bolderns konkret wird. Wie vormals der Trägerverein Boldern verfolgt die Stiftung Boldern auch die Planung und Realisierung sozialer Projekte.
Zusammen mit dem Hotel Boldern prüfte der Stiftungsrat die Idee für ein Arbeitsintegrationsprojekt. Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus drei Stiftungsrät:innen, der Geschäftsleiterin der Stiftung, dem Verwaltungsratspräsidenten des Hotels sowie den beiden Hoteldirektorinnen, arbeitete ein Konzept aus. Gemäss Stiftungszweck der Stiftung Boldern und der
Strategie des Hotels Boldern sollen Menschen mit besonderem Förderbedarf Möglichkeiten erhalten, zu lernen, sich weiterzuentwickeln und sich so im ersten Arbeitsmarkt im Bereich Gastronomie und Hotellerie zu integrieren.
Schon bald wurde der Arbeitsgruppe klar, dass das Hotel und die Stiftung Boldern die Zusammenarbeit mit einer Institution suchen müssen, die die agogische Begleitung der Lernenden und die Beziehung zur Invalidenversicherung (IV) und anderen zuweisenden Organisationen übernehmen würde. Es lag deshalb nahe, das Kompetenzzentrum Appisberg (siehe Kasten) ins Boot zu holen, das sich ja bereits um den Liegenschaftenunterhalt und die Pflege des Naturparks Boldern kümmert.
Das Kompetenzzentrum Appisberg begleitet vorwiegend Jugendliche und junge Erwachsene auf dem Weg ins Berufsleben im ersten Arbeitsmarkt. Die Teilnehmenden absolvieren eine Ausbildung zum Erlangen eines eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses EFZ oder eines eidgenössischen Berufsattests EBA. Die Lernenden besuchen die Berufsfachschule und überbetriebliche Kurse in regulären Klassen.
Aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen (psychische Beeinträchtigungen und Lernbeeinträchtigungen wie Persönlichkeitsstörungen, Autismus-Spektrum-Störungen, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, Depressionen, Traumata usw.) haben die Lernenden Anspruch auf Unterstützung durch die IV. Nichtsdestotrotz wird den Teilnehmenden nach entsprechenden Abklärungen zugetraut, dass sie mit zusätzlicher Unterstützung den Sprung ins Arbeitsleben schaffen.
Erfreulicherweise war das Interesse des Appisberg an einer Zusammenarbeit gross, sodass wir bald gemeinsam ein Detailkonzept erarbeiten konnten. Zu Beginn werden im Hotel Boldern zwei Lehrstellen für Menschen mit einer Beeinträchtigung geschaffen, eine im Bereich Küche und eine im Bereich Hauswirtschaft. Das Hotel Boldern wird somit ein Partnerbetrieb des Appisberg und kann von dessen reichhaltiger Erfahrung und Kompetenz profitieren.
Am 28. November 2023 stimmte der Stiftungsrat dem Arbeitsintegrationsprojekt im Hotel Boldern zu. Nun stehen wir bereits in der Umsetzung des Projekts. Eine der beiden Lehren hat nach den Sommerferien 2024 begonnen.


APPISBERG ist ein Kompetenzzentrum für berufliche Integration, das Abklärungen und Ausbildungen für Menschen mit besonderem Förderbedarf anbietet. Zum Angebot gehören auch sozialpädagogisch geführte Wohngruppen.
Der Sitz des Kompetenzzentrums ist – wie Boldern – in Männedorf. www.appisberg.ch

Von: Madeleine Strub-Jaccoud und Dominique Meier

Mittelteil Juli / August

Projekt Wohnüberbauung «tilia» – Spatenstich

Was vor über vier Jahren noch weit entfernte Zukunftsmusik
war, wird nach viel Planung und grossem Einsatz vieler Beteiligter
umgesetzt. Am 25. Mai 2024 fand der Spatenstich des
Wohnbauprojekts «tilia» auf Boldern statt. Der Stiftungsrat
setzte den ersten Stein, nun muss der Bagger ran. Innerhalb
der nächsten zwei Jahre entstehen auf der rund 15 000 Quadratmeter
grossen Landparzelle unterhalb des Seminarhotels
Boldern 60 Wohnungen. Das Projekt soll nicht nur mit See und
Bergsicht überzeugen, sondern auch mit den Begegnungszonen
in den beiden Wohngassen und der attraktiven
und naturnahen Umgebung. Bei den Wohnungen handelt
es sich grösstenteils um 2½- und 3½-Zimmer-Wohnungen,
es sind aber auch 4½- und 5½-Zimmer-Wohnungen geplant.
Der gemeinnützigen Stiftung Boldern war es im ganzen
Prozess der Planung wichtig, die Nachbarschaft mit einzubeziehen,
dies ist dem Stiftungsrat gelungen, denn es gab
keine Einsprachen. So kann der Bau plangemäss starten.
Der Erstbezug ist im Verlauf der zweiten Jahreshälfte 2026
geplant. Mit den Mietzinseinnahmen möchte die Stiftung
die Finanzen absichern und den Stiftungszweck erfüllen:
Die Stiftung fördert die Begegnung von Menschen, die sich
für eine solidarische Gesellschaft und nachhaltige Lebensräume
einsetzen. Sie initiiert die Auseinandersetzung mit
gesellschaftspolitischen, theologischen, ökologischen und kulturellen
Themen sowie weiteren Themenkreisen und kann
so zukunftsorientierte Projekte anstossen, insbesondere im
sozialen Bereich.


Das Wort «tilia» kommt aus dem Lateinischen und bedeutet
Linde. Die Linde ist seit jeher das Wahrzeichen von Boldern
und findet sich auch im Logo der Stiftung und des Hotels
Boldern. Der Baum repräsentiert die starken Wurzeln von Boldern
und spendet mit seinem Blätterdach Schutz, unter dem
sich Menschen begegnen, sich mit gesellschaftsrelevanten
Themen auseinandersetzen und ihre Hoffnungen teilen sollen.

Wohnbauprojekt «tilia» – Eingang.

Wohnbauprojekt «tilia» – Frontansicht.

Wohnbauprojekt «tilia» – Gasse.

Wohnbauprojekt «tilia» – Seitenansicht.

Von: Bernhard Egg und Urs Häfliger, Co-Präsidenten der Stiftung und
Dominique Meier, Geschäftsführerin der Stiftung

Mittelteil Mai / Juni

Boldern – Ort der Begegnung, der Herausforderung, der Hoffnung

An der Jahresversammlung 2014 übernahm Madeleine
Strub-Jaccoud, zusammen mit einem damals kleinen Team,
die Leitung und damit die Neukonzeption von Boldern. An
der kommenden Jahresversammlung 2024 tritt sie zurück
und gibt ihre verschiedenen Funktionen an bewährte Boldern-
Leute weiter. Nachstehend ihr letzter Jahresbericht an
den Förderverein Boldern (vormals Trägerverein Boldern).

75 Jahre Boldern – das Jubiläum am 2. September 2023 hat
Menschen zusammengeführt, hat die Menschen feiern
lassen.
Der Markt hat Boldern belebt, die Menschen haben
getanzt, gefeiert, sich ausgetauscht. Die Gespräche mit verschiedenen
Persönlichkeiten haben Menschen inspiriert. Der
Dokumentarfilm «Boldern inspiriert» wirft einen vertieften
Blick in die Geschichte Bolderns. Das Jubiläumsbuch
mit Beiträgen aus den Veranstaltungen «Boldern inspiriert»
blickt mit Visionen in die Zukunft.
Mit dem Jubiläum ist Boldern im Dorf Männedorf und in
der Region angekommen. Es war leichtfüssig, fröhlich und
passte ganz zu Boldern. Deshalb soll dieser Bericht einen
tiefen Dank an das Organisationskomitee enthalten. Besonders
gilt dieser Dank den Mitarbeitenden des Kompetenzzentrums
Appisberg. Wir durften einfach fragen, und schon
kam Unterstützung. Die Stiftung Boldern hat alle laufenden Projekte weiterentwickelt. Besonders zu erwähnen sind: Die Wohnüberbauung
«Seeterrassen» geht in die Realisierung. Die Umzonung
des Plateaus wird voraussichtlich noch in diesem Jahr
zur Abstimmung kommen. Die Idee, das Hotel Boldern als
Arbeitsintegrationsbetrieb zu führen, nimmt in Zusammenarbeit
mit dem Kompetenzzentrum Appisberg Gestalt
an. Eine besondere Herausforderung stellt die nachhaltige
Bewirtschaftung der Finanzen dar. Im Berichtsjahr hat sich
die Stiftung für eine neue Hausbank entschieden.
Immer wieder stellt sich die Frage: «Wer ist Boldern?»

Boldern – Ort der Begegnung
Der Weg, dieses Ziel zu erreichen, war lang und nicht einfach.
Er geht weiter, und so wird sich Boldern auch immer
wieder verändern.


Boldern – Ort der Herausforderung
Boldern hat in der Vergangenheit Menschen, die in der
Gesellschaft keine oder nur eine leise Stimme haben, eine
Stimme gegeben. Die Veranstaltungen, die Boldern durchführt,
tragen diesem Anliegen Rechnung.


Bolden – Ort der Hoffnung
Wir leben in einer Zeit, wo Kriege wieder zur Realität gehören.
Boldern soll ein Ort sein, wo über Frieden nachgedacht
wird. Boldern soll ein Ort sein, wo Menschen gemeinsam
nach Kraft und Mut suchen und sich gegenseitig darin unterstützen.
Hoffnung ist die Kraft, die wir teilen. Sie kommt
auch heute noch für viele aus dem Evangelium von Jesus
Christus. Um das zu leben, braucht es den Ort, wo auch diese
Dimension zur Sprache kommen darf und Hoffnung geteilt
wird. Davon zeugen auch die Bolderntexte.
Und: Der Förderverein Boldern soll durch den Zusammenarbeitsvertrag
mit der Stiftung Boldern aktiv und kreativ an
der Gestaltung der Zukunft partizipieren. Diese Partizipation
aufzubauen, ist die Aufgabe der nächsten Jahre. Damit
Boldern lebt.
Mit dem Wunsch, dass Boldern sich als Ort der Hoffnung
weiterentwickelt, lege ich die Verantwortung in neue Hände.
Ich bedanke mich sehr herzlich bei meinen Kolleginnen und
Kollegen im Stiftungsrat für ihr Mitwirken und ihre Kraft,
bedanke mich bei der Geschäftsleitung und allen Mitarbeitenden,
auch denjenigen des Hotels, und bedanke mich ganz
besonders bei meiner Familie, die mich kritisch begleitet und
herzlich unterstützt hat.
So weit der Bericht über das letzte Jahr. Wenn er erscheint,
bin ich bereits nicht mehr Präsidentin der Stiftung und warte
gespannt auf die Vereinsversammlung des Fördervereins.
Ich blicke mit Dankbarkeit auf diese Zeit des Gestaltens
zurück und weiss die Leitung Bolderns in guten Händen.
Die Bolderntexte sind eine Säule für Boldern. Sie spiegeln
die Vielfalt in unserer Gesellschaft wider, werten nicht und
öffnen Horizonte. So bedanke ich mich auch an dieser Stelle
Mittelteil
bei allen Leserinnen und Lesern für ihre Treue, bei der Redaktorin
für ihre so wertvolle Arbeit und bei allen Autorinnen
und Autoren für ihre so Kraft schenkenden Auslegungen.
Boldern lebt in den Herzen vieler Menschen, auch in
meinem.

Von: Madeleine Strub-Jaccoud

Mittelteil März / April

Passion – in Granit gemeisselt von Heidi Berner

Im Herbst 2023 waren wir in der Bretagne. In der Umgebung von Morlaix, östlich von Brest, gibt es ganz besondere umfriedete Pfarrbezirke (enclos paroissiaux). Sie bestehen aus Triumphtoren, Beinhäusern, Calvaires (mehrstöckigen Kreuzen) und reich ausgestatteten Kirchen, alles umgeben von einer Mauer. Diese Bauwerke stammen aus dem 15. bis 17. Jahrhundert. Damals sah die katholische Kirche ihre bretonischen Schäfchen in Gefahr, weil sich ein Teil den Hugenotten zugewandt hatte. Die Gegenreformation setzte daher auch auf prachtvolle Heiligtümer. Dank der florierenden Textilmanufakturen in der Gegend waren die Mittel dafür vorhanden.

Besonders beeindruckend sind die Calvaires mit Szenen von der Weihnachtsgeschichte bis zur Passionsgeschichte. Zuoberst ist jeweils Christus am Kreuz. Die Geschichten hören also beim Karfreitag auf.

Auch im Innern sind die Kirchen reich ausgestaltet. Die folgenden Bilder sind aber alle von den Calvaires, die im Freien stehen.

Versuchen Sie selbst, die Geschichten zu entziffern.

Plougonven, Kirche St. Yves

Plougonven, Kirche St. Yves

Plougonven, Kirche St. Yves

Guimiliau, Kirche St. Miliau

St. Thégonnec, Kirche Notre Dame

St. Thégonnec, Kirche Notre Dame

Pleyben, Kirche St. Germain

Von: Heidi Berner