Autor: Rolf Bielefeld

7. November

Hilf uns, HERR, unser Gott;
denn wir verlassen uns auf dich.
2. Chronik 14,10

Was für eine Ansage!
Der Chronist betrachtet die Zeit der Könige Judas ab Salomon
und gibt seine persönlichen Bewertungen ab.
Es sei ihm gegönnt!
Angesichts von Politik- und Regierungshandeln in allen
Gesellschaften ist der Ausruf, den wir hier vor Augen haben,
nur zu verständlich. Auch in den Beziehungen zwischen
gleichen oder verschiedenen Geschlechtern kommt uns
dieser Ausruf wohl das eine oder andere Mal in den Sinn.
Ich frage mich allerdings, was macht denn Verlässlichkeit
in meinen Augen eigentlich aus? Es ist doch meine Erfahrung
mit anderen Menschen in sehr unterschiedlichen Situationen.
Die Erfahrung, dass Wort und Tat übereinstimmen. Die
Erfahrung, dass Loyalität bedingungslos gewährt wird. Die
Erfahrung, dass Kritik mit Liebe und Verständnis geübt wird.
Sich auf jemanden verlassen ist eine Mischung aus Erfahrung
und Gefühl. Alle, die in einer Partnerschaft leben, wissen
nur zu gut darum.
So ist es auch mit der grossen Politik: Erfahrung und Gefühl!
Hier wie dort muss sich die Verlässlichkeit täglich neu
beweisen und erntet Vertrauen und Sicherheit.
Und so kann dann dieser Vers auch leicht abgewandelt
werden: «Du darfst dich auf mich verlassen, aber leben und
deinen Weg gehen musst du schon selbständig!»

Von: Rolf Bielefeld

6. November

Wohl denen, die in deinem Hause wohnen;
die loben dich immerdar.
Psalm 84,5

In einem Haus (Wohnung) wohnen ist nicht unbedingt
mehr eine Selbstverständlichkeit für alle. Das war wohl in
der Zeit des Psalmisten nicht anders, auch wenn er hier im
wesentlichen Gott loben will.
Es ist also keine Erkenntnis der Neuzeit, dass eine Wohnung
zu haben, die Grundlage für ein sicheres und zufriedenes
Leben ist. Dies zu sagen, angesichts von millionenfacher
Flucht und Vertreibung, von sich häufenden Wetterkatastrophen
als Folge des Klimawandels, ist schon eine tapfere Ansage.
All die Umstände, die dazu führen, dass Menschen ihr
Zuhause verlieren oder erst gar keines finden, sind ebenfalls
von Menschen gemacht.
Na prima – dann wollen wir jetzt mal alle in tiefe Depression
verfallen und darauf hoffen, dass es irgendjemand schon
richten wird!
In Ordnung – das machen wir jetzt ganz bestimmt nicht.
Wir sehen all die Initiativen von ungezählten Menschen, die
sich gegen diese Entwicklungen stellen. Die die Ursachen
und ihre Verursacher bekämpfen und sich dabei ihrer eigenen
Menschlichkeit und Verletzlichkeit bewusst sind. Und es
sind so viele Glaubende dabei, die in ihrem Handeln unseren
Gott loben. Manchmal halten sie auch inne, tanken neue
Energie und sind sehr dankbar, dass sie in ihr sicheres Haus
zurückkehren können.

Von: Rolf Bielefeld

7. September

Der Teufel führte Jesus mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Matthäus 4,8–10

Noch eine Heldengeschichte – und dann auch noch so lang! Der Held muss immer eine grosse Herausforderung bestehen, eine schöne Partnerin gewinnen und am Ende der strahlende Sieger sein. Unser Held bekommt das, was die Film- und Comic-Helden erkämpfen müssen, auf dem Silbertablett serviert und lehnt ab.
Wenn ich so darüber nachdenke, möchte ich auch nicht Superheld sein: um alles kämpfen müssen, immer obenauf sein, immer alles wissen und vorausgeplant haben, alle Ressourcen verfügbar machen und, und, und …
Ich möchte mit den Menschen um mich herum in Frieden und Harmonie leben, die Ressourcen der Erde verantwortlich nutzen, gehört werden, geliebt werden und selbst lieben.
Ich möchte mit Sinn leben!
All das, was ich so gerne möchte und versuche, hat Jesus bei seinem sehr herausfordernden traumatischen Erlebnis in der Wüste seinem Kontrahenten in anderen Worten und Bildern entgegengehalten. Leben – nicht nur existieren, Vertrauen – nicht fordern, Lieben – nicht herrschen.
Es ist doch so einfach.
Und doch sooooooo herausfordernd.

Von: Rolf Bielefeld

6. September

Wir liegen vor dir mit unserem Gebet und
vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern
auf deine grosse Barmherzigkeit.
Daniel 9,18

So ein unscheinbarer Vers in einem grossen apokalyptischen Universum – in diesem Fall geht es um den Propheten Daniel. Auch hier viele grosse Worte: Gerechtigkeit, Vertrauen, Barmherzigkeit. Erinnert irgendwie an die tägliche Wortdusche im deutschen Wahlkampf für diverse Parlamente.
Die Entstehungszeit des Buches Daniel wird zwischen dem sechsten und dem ersten vorchristlichen Jahrhundert verortet – je nachdem, wem man glaubt!
Etwas glauben, so wissen wir und der Autor des Verses, hängt vom Vertrauen zum «Verkündenden» ab. Auch für das Festhalten an Gerechtigkeit musst du vertrauen. In unserem Rechtssystem können wir der unabhängigen Rechtsprechung vertrauen. Auch wenn Urteile manchmal als ungerecht empfunden werden.
Unser Gebet vertraut darauf, dass es etwas bewirkt. Unsere Erklärungsansätze sind in der Regel etwa nebulös. Wir richten sie an «Gott», den wir nicht wirklich fassen können. Aber wir kennen eigenes und viel fremdes Erleben, das die Wirksamkeit von Gebet bezeugt. Hier setzt die Barmherzigkeit ein: Wir gestehen uns und anderen zu, dass es in unserem kleinen Universum eine nicht definierbare Kraft gibt, die uns solidarisch verbindet und unser tiefes Sehnen und Wünschen in eine gleiche Richtung lenkt. Wir nennen diese Kraft Gott und geben ihr viele Bilder.

Von: Rolf Bielefeld

7. Juli

Denn was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt,
dabei aber Schaden nimmt an seinem Leben? Matthäus 16,26

Manchmal ist es doch eine Frage der Übersetzung, die es
spannend macht: Luther übersetzt hier nicht mit «Leben»,
sondern mit «Seele».
Also: Wenn du alles hast, was die Welt bietet, aber dein
Leben, deine Seele auf der Strecke bleibt, hast du nichts!
Schauen wir doch mal, was so alles auf der Strecke bleiben
kann: die Gesundheit, die Freiheit, die Freude, die Liebe, die
Zufriedenheit, …, das Leben!
Es gibt so viele Gründe, warum all das in unserem Leben
verschwinden kann. Manchmal sind es Gründe in unserer
oder in einer fremden Person, manchmal sind es
Lebensumstände, manchmal sind es Intrigen, manchmal ist
es einfach nur Pech.
Als Glaubende sehen wir die Seele als den Ortin uns, an dem
Gott uns berührt und wir diese Berührung wahrnehmen
und sie in Lebenskraft ausdrücken. Unsere Seele gibt uns
die Kraft, die Richtung hin zum Reich Gottes in dieser Welt
immer wieder neu zu finden.
«Leben» – «Seele», für uns geht das eine nicht ohne das
andere. Wir sind doch Glaubende – oder?

Von: Rolf Bielefeld

6. Juli

Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem HERRN: Meine Zuversicht
und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe. Psalm 91,1–2

Auch dieser Vers aus dem 91. Psalm gehört zu den gern genommenen für die Schmuckkarte zu verschiedensten Anlässen.
Aber darüber hinaus ist es ein Psalm, der viel Lebenszuversicht und grosse Ermutigung verströmt.
Wenn wir einmal all die Erklärungen zur Entstehungszeit und Entstehungs-
situation ausser Acht lassen, bleiben eigentlich nur noch zwei wichtige
Dinge übrig:

  1. Verlass dich auf Gottes stärkende Nähe.
  2. Nimm deine Herausforderungen in dieser Welt an.

Von: Rolf Bielefeld

7. Mai

Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes. Unser Gott
kommt und schweiget nicht.
Psalm 50,2–3

Lassen Sie uns mal den ganzen historisch-
kritischen Teil
überspringen und uns mit der Frage beschäftigen, wie unser
Gott kommt und nicht schweigt.
Es klingelt an der Tür, wir öffnen und Gott steht vor der
Tür? Wohl eher nicht.
Es klingelt, jemand steht vor der Tür und will uns etwas
Wichtiges erzählen will. Schon eher!
Was immer es auch ist, was da nun erzählt oder berichtet
wird, es berührt uns und motiviert uns zu einem Handeln
oder einem Unterlassen.
In den letzten Wochen sind in Deutschland viele hunderttausend
Menschen auf die Strasse gegangen, um die demokratische
und rechtsstaatliche Verfassung dieses Landes zu
stärken. Sie haben sich dabei oft auch gegen Tendenzen von
Menschenfeindlichkeit und rechtem Extremismus ausgesprochen.
Gott hat keine anderen Arme, Beine und Münder als die
unseren. Unser Gott schweigt nicht, sondern redet durch
und mit uns. Der schöne Glanz Gottes nimmt dort Gestalt
an, wo wir als Glaubende, mit allem, was uns ausmacht, für
eine gerechte und menschenwürdige Welt eintreten und
sie gestalten.
Dort, wo wir schweigen bei der Herabsetzung anderer oder
bei Hass und Gewalt, dort schweigt auch Gott und kann nicht
gehört werden – das ist schon eine grosse Verantwortung.

Von: Rolf Bielefeld

6. Mai

Der Herr ist treu; der wird euch stärken und
bewahren vor dem Bösen.
2. Thessalonicher 3,3

Dieser von Paulus zitierte Zuspruch ist in seinem zweiten Teil
wahrscheinlich von vielen in den letzten Monaten mindestens
gewünscht worden. Das «Bewahren vor Bösem» ist so
alt wie die Menschheit. In vielen Epochen ist daraus geradezu
ein Geschäftsmodell gemacht worden, bei dem vermeintlicher
Schutz und vermeintliche Sicherheit verkauft werden.
Ich bin sicher, Paulus ging es nicht um Schutz und Sicherheit,
sondern ihm ging es um das Erhalten der zentralen
Lehre Jesu. Er wollte sicherstellen, dass die junge Gemeinde
mit Hoffnung in die Zukunft schaut und sich den Dingen
verpflichtet weiss, die dem Leben und der gemeinsamen
Entwicklung dienen. Genau auf diesem Weg wird Gottes
Treue wirksam.
Nun denn – wo stehen wir denn heute? Gottes Treue ist
unverändert, haben wir denn den Weg hin zum Leben, weg
von seiner Einschränkung und/oder Vernichtung genommen?
Die schlichte wie wahre Antwort ist wohl: «eher
nicht!»
Unser Heimatplanet ist in einem so schlechten Zustand,
wie er wohl noch nie war. Umweltzerstörung, Hunger, Krieg
und Tod sind allgegenwärtig.
Und doch sind überall Menschen unterwegs, sich gegen all
dieses «Böse» zu stemmen. Viele Glaubende sind darunter
und bilden so ein sehr lebendiges Zeugnis dafür, das Gott
treu, bei ihnen ist, sie stärkt und bewahrt.

Von: Rolf Bielefeld

7. März

Der Herr hat Zion mit Recht und Gerechtigkeit erfüllt. Und du wirst sichere Zeiten haben: Reichtum an Heil, Weisheit und Klugheit. Jesaja 33,5–6

Prognosen für die Zukunft haben die Eigenart, dass sie oft nicht eintreffen. Allerdings gilt auch, je schwammiger die Prognose formuliert wird, umso besser kann man ihr Eintreffen behaupten. Ob Zion/Israel zur Zeit des Psalmisten mit Recht und Gerechtigkeit erfüllt war, kann ich nicht beurteilen. Für die folgenden 2500 Jahre lässt sich allerdings festhalten: mal so – mal so!

Schauen wir in die Gegenwart, dann sehen wir kaum «Weisheit und Klugheit», sondern Tod und Zerstörung.

Na toll – und was jetzt?

In dunklen Zeiten ist das Licht häufig nicht zu sehen, weil es umstellt und verdeckt ist. Dann brauchen wir Menschen, die uns daran erinnern, dass das Licht zwar gerade nicht zu sehen ist, aber dass es immer noch da ist und wieder hervorgeholt werden muss. Krieg und Zerstörung werden von Menschen verantwortet und können auch nur durch menschliche Entscheidungen beendet werden. Hier kommen nun wir Glaubenden ins Spiel. Wir wissen um das Licht, das mit der Liebes- und Versöhnungsbotschaft Jesu in die Welt gekommen ist. Das ist unser Beitrag: immer wieder den Frieden einzufordern und die Liebe exemplarisch zu leben. Vielleicht erleben wir dann noch Heil, Weisheit und Klugheit.

Von: Rolf Bielefeld

6. März

Der Herr behüte dich vor allem Übel, er behüte deine Seele. Psalm 121,7

Hier sind wir bei einem der «Kassenschlager» biblischer Verse – immer gerne genommen bei Taufen, Konfirmationen oder Trauungen. Ist das nun wertsteigernd oder wertmindernd? Es ist weder das eine noch das andere, sondern es zeigt nur, dass hier bei vielen Menschen eine Saite zum Klingen gebracht wird, die sonst nicht schwingt.

Immer auf der richtigen, der guten Seite zu sein, ist ein Wunsch der meisten von uns. Dies natürlich gekoppelt mit der Zusage, nicht belastet zu werden.

Ist dieser Wunsch nun zu kritisieren? Ich denke – nein!

Wenn wir als Glaubende der Predigt und dem Leben Jesu folgen, ist unser Kompass klar ausgerichtet auf alles, was dem Leben, der Schöpfung dient. Weder ich noch du können alle Fehlentwicklungen in dieser Welt korrigieren. Wir können aber, im Rahmen individueller Möglichkeiten, kleine Teile in einem der vielen herausfordernden Bereiche angehen. Viele von uns sind auf diesem Weg, der anstrengend ist, oft mit Enttäuschungen einhergeht, aber auch viel Energie und Beziehung freisetzt.

Unser Psalm ist immer noch ein «Kassenschlager», aber er gewinnt für uns eine neue Qualität. Er ist nicht mehr der tolle Spruch auf der tollen Karte, sondern der Gruss und die Ermunterung von Glaubenden an Glaubende. Denn aus der Gewissheit heraus, dass Gott uns bewahren will vor schlechten Dingen und uns bis in die Tiefen unserer Existenz begleitet, leben und handeln wir.     

Von: Rolf Bielefeld