Ihr sollt mit Freude ausziehen und im Frieden geleitet werden.
Jesaja 55,12

So glorios, wie es hier steht, dürfte der Auszug aus dem Exil nicht gewesen sein. Viele der nach Babel Verbannten hatten dort ein gutes und bequemes Leben geführt, in der Heimat aber hatten inzwischen die Zurückgebliebenen Land und Besitz der Deportierten übernommen und waren wohl wenig begeistert über deren Rückkehr.
Beim Lesen der biblischen Schriften über die Heimkehr der Verbannten wird mir bewusst, wie schwierig der Aufbau einer neuen, funktionierenden Gesellschaft gewesen sein muss. Und doch ist hier verheissen: in Freude und Frieden!

Andere Heimkehrer kommen mir in den Sinn; sie wollten Heimat finden in einem Land, das anderen bereits Heimat war. Bis heute: Von Frieden und Freude ist an solchen Orten wenig zu spüren. Müsste die Verheissung denn anders verstanden werden? Dass sie eine Aufgabe ist, die sich nur vollenden lässt, wenn man miteinander lebt und teilt?

Auch wir, so dünkt mich, leben heute sozusagen im Exil – im Ausnahmezustand «Pandemie». Wir sagen seit zwei Jahren: Wenn es dann vorbei ist … Wenn wir wieder furchtlos in Gemeinschaft feiern können. Wenn es wieder ist wie früher … Aber ist die Verheissung des Propheten vielleicht auch hier neu zu deuten? Ist ein gutes Leben nur möglich, wenn wir unsere Heimat, die Erde, anders gestalten: teilen statt herrschen?

Von Käthi Koenig