Es begab sich aber zu der Zeit, dass Jesus auf
einen Berg ging, um zu beten; und er blieb über
Nacht im Gebet zu Gott.
Lukas 6,12

Jesus sah ungefähr aus wie ein Flüchtling aus Syrien, nicht wie
unzählige Altarbilder es uns weis(s)machen. Wenn er blond
gewesen wäre, hätten sie es überliefert. Ist das Jesusbild vor
den inneren Augen aber einmal geprägt, kann man es nur
unter grosser Anstrengung neu zeichnen.
Das betrifft nicht nur sein Auftreten, sondern noch viel
mehr sein Wirken. Ich sehe Jesus beim ersten und zweiten
Gedanken immer unterwegs, auf einem staubigen Weg, bei
einem Essen, zu dem er sich selbst eingeladen hat, immer
mitten unter den Leuten, überall und nirgends, verwickelt
in unzählige Gespräche und Geschichten mit Freundinnen
und Freunden, mit Pharisäern, mit Feinden, mit Unbekannten.
Er ist initiativ, aktiv, natürlich auch am Sabbat zum
Wohle der Menschen. Viele Nachfolgerinnen und Nachfolger
haben sich seither in erster Linie an diesem Aktivismus
orientiert und haben deshalb sehr viel gearbeitet. Gerade
lese ich in einem Buch zur jüngsten Diakoniegeschichte,
wo ein pensionierter Unternehmensberater bekennt: «Der
Grat zwischen dem protestantischen Arbeitsethos und
ungebremster
Betriebsamkeit und Selbstausbeutung ist
schmal.» (Freimut Hinsch)
Jesus betet eine ganze Nacht, er nimmt sich Zeit, obwohl es
selbstverständlich viel zu tun gäbe. Das gibt mir zu denken.

Von: Dörte Gebhard