Der HERR ist gerecht in allen seinen Wegen
und gnädig in allen seinen Werken.
Psalm 145,17


Es ist ein Psalmvers, der Einspruch weckt: Wenn ich in die
Welt schaue und sehe, wie viel «schief» läuft und unzählige
Menschen leiden lässt – wie soll ich da glauben, dass Gott
gerecht ist? Es sind solche Zweifel, die genuin zum Glauben
gehören. Sie sind es aber auch, die deutlich machen, dass
der Gottesglaube nicht davon ausgehen darf, dass Gott einfach
alles richtet. Denn dieser Gott, zu dem wir beten, dem
wir nichts weniger zutrauen, als dass er den ewigen Frieden
aufrichten kann – dieser Gott hat Menschen geschaffen,
die frei sind. Die ihre Handlungen und ihre Planungen frei
gestalten können. Sie können sich dabei an dem ausrichten,
was Gott über alle Zeiten hinweg immer und unablässig
über Propheten und durch Jesus von Nazareth gezeigt und
gesagt hat. Aber diese Freiheit bedeutet eben, dass sie sich
auch an selbst entwickelten Prinzipien orientieren können.
Das verändert die Stossrichtung des Einspruchs: Nicht Gott
ist es, der eben auch ungerecht handelt und ungnädig ist,
sondern da, wo wir Widersprüche festzustellen meinen, sind
es Folgen der Anwendung von menschlichen Prinzipien. Ein
Gotteslob-Psalm wie der, aus dem der heutige Vers stammt,
ist eine Art Mahnmal, das zum Nachdenken bringen kann:
Wie sehr spielen in meiner Lebensausrichtung Gottesprinzipien
eine Rolle? Und inwieweit habe ich mich mit meinen
eigenen Prinzipien eingerichtet?

Von: Hans Strub