Paulus sprach: Glaubst du, König Agrippa, den
Propheten? Ich weiss, dass du glaubst. Agrippa aber
sprach zu Paulus: Es fehlt nicht viel, so wirst du mich
noch überreden und einen Christen aus mir machen.
Apostelgeschichte 26,27–28

Friedrich Schleiermacher, Professor für alle neuen Fächer
im 19. Jahrhundert in Berlin, hat einmal sinngemäss gesagt:
Manchmal kommt genau dadurch etwas zustande, dass
man es voraussetzt. Paulus kannte Schleiermacher nicht,
wendete aber seine Taktik bereits bei König Agrippa an, der
ihn verhörte, weil der Apostel auf Leben und Tod angeklagt
war. Paulus traute diesem König nach seiner Predigt zu, dass
er – den Propheten – glaubt. König Agrippa antwortete
ihm eigenwillig darauf. Die Gelehrten streiten, wie es sich
für sie gehört, ob Paulus es ehrlich oder ironisch gemeint
hat, dass Agrippa nicht viel zum Christsein fehle. Ich will es
nicht entscheiden. Aber zweierlei erkenne ich: Paulus konnte
niemanden zum Christen «machen». Das muss der Heilige
Geist bewirken. Paulus‘ Predigt war persönlich-biografisch,
dem Hörer zugewandt und aktuell, aber «machen» konnte
er nichts. Menschliche Möglichkeiten haben Grenzen.
Aber es fehlt nur wenig. Diese Sicht der Dinge will ich mir
angewöhnen, auch wenn ich hoffentlich nie verhört werde
wie Paulus. Oft erwische ich mich dabei, zu sehen, was fehlt,
was nicht geht, nicht passt, nichts wird. Aber das berühmte
Glas ist nicht halb leer, es ist beinahe voll. Wollte ich noch
mehr hinein giessen, liefe es sofort über.

Von: Dörte Gebhard