Erlöse uns von dem Bösen. Matthäus 6,13

Am Ende von jedem Gottesdienst und oft zu Hause abends
oder morgens beten wir – und ich denke, das gilt für die
meisten der Bolderntext-Leserinnen und -Leser – das «Vater
unser» und dabei auch diese Bitte: «Erlöse uns von dem
Bösen.» Mich bewegt dabei oft die Frage: Was ist das nun,
das Böse? Es sollte ja mit konkreten Inhalten gefüllt sein – als
umfassender Begriff bleibt es leicht eine Floskel, die natürlich
stimmt, aber in ihrer Allgemeinheit von mir und meinem
eigenen Anteil an diesem Bösen fortgeschoben werden
kann. Natürlich kann das Böse uns von aussen bedrohen, im
Streit, im Krieg, bei jeder Gewalttat, bei Betrug oder bei Neid
und Eifersucht und in vielen anderen Gewändern. Aber Neid
und Eifersucht zum Beispiel können auch in mir wachsen,
ebenso Kleinlichkeit, Rechthaberei, Starrsinn. Und bei all
diesen unguten Gefühlen und Haltungen bin ich selbst herausgefordert,
sie zu erkennen, sie ernst zu nehmen und abzubauen.
Meiner Erfahrung nach hilft ein Gebet, das ganz gut
hinzubekommen. Vielleicht weil ich diese inneren Gefühle
durch das Gebet benenne, sie vor mich hinstelle und Gott
anvertraue. Sie verlieren dadurch ihre Gewalt über mich.
So verstehe ich auch das Wort «erlöse» – als Bitte, unsere
Selbstbezogenheit zu lösen, dieses «incurvatus in se», von
dem Luther spricht.
«Erlöse uns von dem Bösen» – was bedeutet dies für Sie?

Von: Elisabeth Raiser