Sieh nun herab von deiner heiligen Wohnung, vom Himmel, und segne dein Volk Israel. 5. Mose 26,15

Israel – ein Reizwort, das Kaskaden von Assoziationen au löst, positive, negative, ratlose. Darüber zu schreiben, gleicht dem Gang durch ein Minenfeld: Wie ist das nun mit der Kirche und Israel? Darf man die Kirche das «neue Israel» nennen? Oder kommt sie nicht viel eher wie eine jüngere Schwester zur Familie hinzu, und wie ist dann das Verhältnis der Geschwister? Dann die antijüdischen Passagen in manchen Werken der Kirchenmusik: scharf bei Bach, etwas verdeckter bei Schütz, interessanterweise nicht bei Mendelssohn. Vom politischen Minenfeld, dem modernen Staat Israel, ganz zu schweigen – da bleibt oft nur ratlose Besorgnis.
Aber da ist die hebräische Bibel mit ihrem Reichtum, ihrer Vielfalt und ihren inneren Spannungen, manchmal fremd und verwirrend, manchmal nahe und vertraut, und die Grundlage, ohne die Jesus von Nazareth schlicht nicht zu verstehen ist. So ist es angebracht, bei unserem Losungswort die negativen und verwirrenden Gedanken für einmal auszublenden und den Lehrtext mitklingen zu lassen:
«zur Erleuchtung der Heiden und zum Preis deines Volkes Israel» – unerreicht eindrucksvoll in Musik gesetzt von Felix Mendelssohn in seiner Motette über das Simeonslied, «Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren» – unbedingt anhören oder nach Möglichkeit einmal mitsingen!

Von Andreas Marti