Tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache. Psalm 90,4

Ich stehe unter dem leuchtenden Sternenhimmel. Seine Weite macht mich staunen. Ich denke an die Lichtjahre entfernten Sterne, die noch immer leuchten, obwohl sie gar nicht mehr sind. Der Hauch von Ewigkeit lässt erschaudern.

«Am Morgen blüht es, doch es vergeht, am Abend welkt es und verdorrt», schreibt der Psalmist über das menschliche Leben. Mit allen Hoffnungen und Plänen, Anstrengungen und Höhenflügen fliege ich der Bedeutungslosigkeit entgegen. Ganze Kapitel der Menschheitsgeschichte, gigantische Generationenprojekte verkümmern vor Gott zu einer einzigen Nachtwache. Wie so oft in den Psalmen arbeitet der Dichter auf ein Kippmoment hin. Vergänglichkeit bedeutet nicht Bedeutungslosigkeit und Gottverlassenheit. Vielmehr ist das Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit eine tägliche Lektion in Gottes Lebensschule: «Lehre uns zu bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.»

Im Nachthimmel über mir leuchtet eine Sternschnuppe auf. Ich stelle mir vor, wie liebevolle Begegnungen, Glücksmomente in meinem Leben aufleuchten am Firmament der Ewigkeit. Und ich denke an Menschen, deren Stern schon längst verglüht ist, aber deren Liebe und Weisheit mir zuweilen noch immer den Weg leuchten.

Von Felix Reich