Freigebige werden immer reicher, der Geizhals spart  sich arm.               Sprüche 11,24

Ich wuchs zusammen mit drei Brüdern in der Dienstwohnung der Zürcher Kantonalbank auf. Wir diskutierten viel am Familientisch und erfuhren einiges aus dem Berufsalltag meines Vaters. Eines Tages überraschte er uns mit einer Aussage. Als Bankverwalter hatte er auch reiche Kunden. Es gebe, meinte er, keine unglücklicheren Leute als Reiche, die Angst hätten, sie könnten ihr Geld wieder verlieren. Irgendwie machte mir das enorm Eindruck, und es kommt mir aus Untiefen der Erinnerung in den Sinn, wenn ich den uralten Spruch lese: «Der Geizhals spart sich arm.» Ja, genau! Je mehr er hat, desto ärmer wird er, weil er den Hals nicht vollkriegen kann. Er spart, weil er Angst hat. Ein reicher Geizhals ist noch ärmer dran. Der einzige Ausweg ist die Freigebigkeit. Sie ist Ausdruck einer Lebenshaltung. «Freigebig» meint hier, andern gegenüber grosszügig sein, also das zu verteilen, zu verschenken und auszuleihen, was man hat. Der Reichtum, den man so anhäuft, ist Dankbarkeit, die Dividende, die man einfährt, ist die Freude. Lässt sich das auf unser ganzes Leben übertragen? Könnte das gemeint sein, wenn Jesus sagt, wer sein Leben liebt, wird es verlieren? Vielleicht kann man den strengen Satz ein wenig mildern, wenn man ihn so dreht. Es gibt keine glücklicheren Leute als Reiche, die keine Angst davor haben, ihren Reichtum zu verschenken.

Von Ralph Kunz