Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen.     
1. Johannes 4,12

«Liebst du mich?» Wir kennen diese Frage aus meist sentimentalen Liedern, Büchern, Filmen mit dramatischen Verwicklungen bis, hoffentlich, zum Happy End. In der christlichen Gemeinde jedoch stellt sich die Frage anders: «Kann ich dich lieben?» Oder sogar: «Muss ich dich lieben?»

Was aber ist Liebe wert, die einem sozusagen zur Pflicht gemacht wird? Wie würde sie sich denn äussern? Wie gelingt es Menschen, mit ihrem Reden und Handeln den unsichtbaren Gott wirksam werden zu lassen?

Das geht gar nicht, sage ich, wenn ich an all die Konflikte in der Christenheit denke, an Meinungsverschiedenheiten, Intrigen, Konkurrenzkämpfe, verletzte Eitelkeiten, auch an meine persönlichen Vorurteile, Abneigungen, Schadenfreuden.

Und doch muss es gehen. Es ist möglich!  Man  redet  zwar von den misslungenen Beziehungen, vom Verharren im Unfrieden. Aber wir wissen nicht, wie oft ein Konflikt gelöst wurde, weil die Beteiligten ihre felsenfeste Überzeugung hinterfragten, sich in die Haut der Gegner versetzten und gemeinsam neue Lösungen fanden. Vielleicht zeigt der unsichtbare Gott sein Wesen und Wirken ja nicht auf der Insel der Seligen, sondern in der Beharrlichkeit jener, die nicht locker lassen in ihrer Suche nach Frieden und Versöhnung.

Von Käthi Koenig