Autor: Madeleine Strub-Jaccoud

22. Oktober

Du sollst deinen Bruder nicht hassen in deinem Herzen,
sondern du sollst deinen Nächsten zurechtweisen,
damit du nicht seinetwegen Schuld auf dich lädst.
3. Mose 19,17

Die heutige Losung spricht die Beziehungen zu Menschen
an. Und doch möchte ich sie auch auf Strukturen beziehen,
denn diese lassen mich selber mit all den Verstrickungen
Schuld auf mich laden. Was ist mit den Geldern meiner Pensionskasse?
Es geht nicht um Hass. Vielmehr geht es darum,
eine Haltung einzunehmen, die einen bewussten Umgang
mit unseren Verstrickungen pflegt, diese hinterfragt. Es ist
ja nicht so, dass ich durch das, was ich nicht beeinflussen
kann, Schuld auf mich lade. In unserem Text geht es um ein
individuelles Verhalten. Ich meine aber, dass er uns trotzdem
einlädt, unser Verhalten den Strukturen gegenüber zu reflektieren.
Und so, wie die Losung eine Haltung auch im sozialen
Bereich vorschreibt, so lädt sie uns ein, global zu denken und
mitzuwirken – da, wo wir etwas verändern können. Wir können
zum Beispiel unsere Stimme erheben, wenn wir eingeladen
werden, eine Petition zu unterschreiben, die von Konzernen
mehr Verantwortung verlangt. Könnte das gemeint sein,
wenn der Text sagt, dass wir «den Nächsten» zurechtweisen
sollen? Und noch etwas: Die individuelle Schuld erdrückt
uns. Das braucht zu viel Kraft. Die Mitverantwortung für die
Menschen und die Schöpfung soll uns nicht zur Last werden.
Schenke du die Hoffnung auf Veränderung.

Von: Madeleine Strub-Jaccoud

21. Oktober

Wessen Zuversicht der HERR ist, der ist wie ein Baum,
am Wasser gepflanzt, der seine Wurzeln zum Bach
hin streckt. Er sorgt sich nicht, wenn ein dürres Jahr
kommt, sondern bringt ohne Aufhören Früchte.
Jeremia 17,7.8

Wie gerne würde ich diese Losung mit Menschen in Afrika
oder Lateinamerika besprechen. Wie viele von ihnen sind
von Dürre betroffen! Harte Arbeit, Wasser erbitten, ein paar
Tropfen auftreiben. Worin besteht ihre Zuversicht? Der Prophet
will, dass die Menschen zuversichtlich sind, dass sie
nicht abfallen vom Gott des Lebens. Dann, und nur dann,
werden ihre Felder und Fruchtbäume genügend Wasser
haben, auch wenn ein Jahr der Dürre kommt. Worin besteht
die Zuversicht der Menschen, die unter Dürre leiden? Wie
gestalten sie ihr schweres Leben? Und: Wie gehen wir um
mit der Tatsache, dass der Klimawandel immer mehr Menschen
betrifft und sie Wege suchen, aus der Dürre zu fliehen?
Zuversicht bei Gott, der Lebendigen – was bedeutet sie den
Menschen und was bedeutet sie mir? Ich kann nur für mich
sprechen: Ich setze meine Zuversicht auf das Beiunssein der
Lebendigen und hoffe, so die Kraft zu erhalten, nicht nur
mein Leben gut zu gestalten, sondern offene Augen und ein
offenes Herz zu haben für die Menschen, denen es nicht so
gut geht. Und die Zuversicht ist es, die hilft, mit der Lebendigen
zu rechnen, sie zu bitten um Beistand für die Schöpfung,
für Gerechtigkeit und Frieden.

Von: Madeleine Strub-Jaccoud

Mittelteil September / Oktober

Boldern inspiriert – Der Dokumentarfilm von Stefan Muggli

Wenn sich eine Schlange junger Menschen in das Jugendhaus
auf Boldern bewegt, schreiben wir das Jahr 1948. Wenn
ehemalige Studienleiterinnen und Studienleiter von Begegnungen,
Erfahrungen, von offenen Räumen berichten, geht
die Geschichte weiter. Wenn Interviews geführt werden zur
Identität von Boldern, wird deutlich, welche gesellschaftspolitischen
Themen Aufsehen erregen. Wenn sich der heutige
Stiftungsrat über das Modell der zukünftigen Wohnüberbauung
beugt, werfen wir einen Blick in die Zukunft.
Und wenn die Linde vor dem Seehaus ins Bild kommt, reden
wir von den Wurzeln, vom Schutz der Blätterkrone und vom
Blick durch die Blätter in die Weite.
Stefan Muggli schlug uns vor anderthalb Jahren vor, einen
Dokumentarfilm über Boldern zu drehen. Die Filmkommission
erarbeitete gemeinsam mit ihm die Themen des Films
in einem Dossier. Sponsoren wurden gesucht und gefunden,
und schon bald ging es los mit den Dreharbeiten. Ziel des
Films ist es, den Blick in die Zukunft von Boldern zu richten.
Dieser Blick soll sich aus der vielfältigen Geschichte entwickeln
und auch die Gegenwart anschauen. Der Film ist ein
Verweben aller drei Ebenen und zeigt, dass Boldern ein Ort
der Begegnung, der Auseinandersetzung und der Hoffnung
war, ist und sein wird. Die Menschen, die gefilmt wurden,
kommen uns nahe. Die Themen, die angesprochen werden,
sind aktuell, eingebettet in das Nachdenken über die
Präsenz von Kirche in den gesellschaftspolitischen Fragen.
Und immer wieder sehen und hören wir, dass Boldern den
Menschen eine Stimme gibt, die in der Gesellschaft keine
haben. Es ist sehr eindrücklich, dass keine der ehemaligen
Leitungspersonen von «ich habe» spricht, sondern immer
von einem «wir haben». Das gibt einen Blick in die Boldern-
Community.
Der Film feiert am Jubiläumsfest am 2. September Premiere
und kann anschliessend auf der Homepage www.bolderninspiriert.
ch angeschaut werden.

Ein Credo für die Zukunft, Visionen in eine visionslose Zeit – Das Buch, herausgegeben von Hans Strub

Wenn Persönlichkeiten in den vergangenen sechs Jahren im
Rahmen der Veranstaltungen von «Boldern inspiriert» über
theologische, politische, ökologische Themen berichteten
oder als Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus ihren Werken
lasen, dann wurde zugehört, gefragt, diskutiert, ja sogar
debattiert. Wenn Menschen aus der nahen und der weiteren
Umgebung auf Boldern kamen, um sich inspirieren zu lassen,
entwickelte sich eine Atmosphäre der Konzentration und
der Solidarität. Die beiden «langen Pfingstnächte» liessen
ebenso wie etliche Veranstaltungen eine Gemeinschaft entstehen,
die gerne auch als «Kirche auf Zeit und bei Gelegenheit
» bezeichnet werden kann.
Nun wurden die Persönlichkeiten, die sich an den Veranstaltungen
beteiligt hatten, die Autorinnen und Autoren
der Bolderntexte und einige andere angefragt, einen Text
zu schreiben über ihre Perspektiven und Visionen für die
Zukunft, die sie mit anderen teilen möchten. Und wieder
ist eine Vielfalt entstanden, eine Vielfalt, die nicht beliebig
ist, sondern eine, die aktuelle Fragen aufnimmt und in Visionen
giesst. Es sprudelt geradezu! Und es verwundert nicht,
dass viele der Beiträge an Themen anknüpfen, die auch im
Film angesprochen werden. Das Buch gibt Einblick in gesellschaftspolitische
Herausforderungen wie Migration, in die
Theologie, in die drängenden Fragen der Klimakrise, in die
Literatur und den politischen Diskurs. Das Buch ermutigt
dazu, die eigenen Visionen zu ergründen. Und es ermutigt
zum Gespräch, zur Auseinandersetzung und zur Hoffnung.
Es zeigt auf, dass gar nicht über die Zukunft von Boldern
geschrieben werden muss, sondern dass der einmalige Ort
selbst ein Ort der Zukunft ist.
Die Vernissage findet am Jubiläumsfest am 2. September
statt. Das Buch kann anschliessend bei der Geschäftsleitung,
dominique.meier@boldern-inspiriert, für Fr. 20.– erworben
werden.

21. September

Mich sollst du fürchten und dich zurechtweisen lassen.
Zefanja 3,7

Was ist es wohl, was mir eine Blockade beim Schreiben zur
heutigen Losung beschert? Ist es meine Mühe, mich zurechtweisen
zu lassen? Ist es mein Glaube an das Gute, das Lebendige,
was mir die Auseinandersetzung mit der Anweisung,
Gott zu fürchten, so schwierig macht? Bin ich mitgemeint,
denn der Text richtet sich nicht an mich, sondern an die
Stadt Jerusalem. Das Buch Zefanja handelt ja von prophetischen
Gerichtsworten und prophetischen Heilszusagen. Und
die gibt es eben nicht so rasch ohne das Zutun derjenigen,
an die sie gerichtet sind. Aber es lohnt sich, etwas weiterzulesen
in diesem Buch des Propheten. Denn die Zusage, dass
Gott, die Lebendige, ihr Volk sammeln und es gut kommen
wird, schenkt Hoffnung und Leben. Die Heilszusage ist nicht
an einzelne Menschen gerichtet, sondern an viele, die sich
zusammentun sollen, um mit der Lebendigen unterwegs zu
sein und mit ihr das Leben zu gestalten. Und das geht wohl
nicht, ohne zu überlegen, ohne nachzudenken über den Weg
und ohne die Lebendige zu bitten um ihr Geleit, ihr Vergeben,
ihre Zuwendung zu allen Menschen. Die Blockade ist
aufgehoben. Ihr macht ein Nachdenken darüber Platz, was
ich wohl anders anpacken könnte in meinem Leben – nicht
nur, um die Heilszusage wahrzunehmen, sondern auch, um
immer wieder neu zu fragen nach dem Tun der Gerechtigkeit
und des Friedens.

Von: Madeleine Strub-Jaccoud

20. September

Wer den HERRN fürchtet, hat eine sichere Festung.
Sprüche 14,26

Oder wie die Zürcher Bibel übersetzt: «In der Furcht des
HERRN liegt feste Zuversicht, es wird auch den Kindern
eine Zuflucht sein.» Es ist wohl das Zusammenkommen
von «Furcht» und «Zuversicht», das mir auf die Sprünge
hilft. Denn eine Festung ist mit Angst, Verschlossenheit,
dicken Mauern verbunden. Die Zuversicht hingegen gibt
mir Raum und lässt mich mit einem geraden Rücken und
offenen Augen in die Welt blicken. Die Furcht vor Gott,
der Lebendigen, weist mich darauf hin, dass sie da ist, mitten
in meinem Leben. Das hat mit Angst nichts zu tun.
Vielmehr gibt mir das Vertrauen in dieses Dasein Gottes.
Dieses Vertrauen gibt Kraft. Und lässt manchmal nach, weil
vieles schiefläuft, weil sich Erschöpfung breit macht oder
ich einfach den Glauben verloren habe, dass unsere Welt
gerechter oder friedlicher werden könnte. So wird der Raum
auch da weit, wo er droht wegzufallen und mein Leben zu
einer Festung zu machen. In der Festung begegne ich keinen
Menschen, die mit mir den Weg gehen oder mir diesen gar
zeigen. Raum für meine Zuflucht und meine Zuversicht wird
mir doch so oft von Menschen eröffnet, denen ich begegne,
ein Lachen mit ihnen teile, ihnen in die Augen schaue mit
einem Wort oder zwei Sätzen als «Aufsteller».

Danke für alle Zuversicht, die von dir kommt.

Von: Madeleine Strub-Jaccoud

22. August

Der HERR, euer Gott, versucht euch, um zu erfahren,
ob ihr ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele
lieb habt.
5. Mose 13,4

Die Zürcher Bibel übersetzt anders: «Denn du sollst nicht auf
die Worte jenes Propheten oder auf jenen Träumer hören,
denn der HERR, euer Gott, stellt euch auf die Probe.» In Chiapas,
Mexiko, wurde ich jeden Tag gefragt, was ich geträumt
habe. Immer wieder durfte ich zu verstehen versuchen, was
dies bedeutet. Ganz habe ich es nie verstanden, aber gespürt,
dass die Dimension des Traums ernst genommen wird bei
der Gestaltung des Tages. Nun sagt uns der heutige Text,
dass sogenannte Träumer uns von der Lebendigen wegbringen
können. Auch Propheten sind gefährlich. Träume sollen
uns auf die Probe stellen. Ich bin der Überzeugung, dass es
Träume und Träume gibt. Ich will nicht aufhören, die Träume
zu leben, die mein Leben prägen, wie etwa das Einstehen
für Gerechtigkeit, gegen die Unterdrückung von Frauen, für
eine inklusive Gesellschaft. Sie entsprechen meinem Glauben
an die Lebendige. Aber ich werde durch Träumer auf
die Probe gestellt, etwa dann, wenn mich die viel zu vielen
Informationen erdrücken wollen. Der heutige Text ermutigt
mich, immer wieder zu unterscheiden zwischen dem, was in
meinen Augen dem Leben dient, und dem, was der Gerechtigkeit
im Wege steht. Die Lebendige hilft dabei!

Von: Madeleine Strub-Jaccoud

21. August

Ich will ihnen ein Herz geben, dass sie mich erkennen
sollen, dass ich der HERR bin.
Jeremia 24,7

Die Vision des Propheten richtet sich an die deportierten
Menschen. Ihnen will Jeremia Mut machen. Sie gehören, im
Bild des Propheten, zu den «guten Feigen im Korb». Sie sind
köstlich und erfreuen das Herz. Es ist, als ob die Menschen im
Exil mit den guten Feigen gleichgesetzt würden. Sie sollen in
ihrem Herzen Gott, die Lebendige, erkennen, ihr begegnen
und so lernen, dass sie ihr Gott ist. Und dies im Herzen. Denn
die Lebendige will alle Tränen abwischen und die Menschen
zurückführen in ihre Heimat. Die Vision sagt mir heute, dass
ich versuchen möchte, eine Beziehung zur Lebendigen aufzubauen.
Und dies mit dem Herzen. Es geht nicht so sehr um
die Einteilung der Menschen, das mag wohl für die Vision
wichtig gewesen sein, schliesslich trifft sie nur auf diejenigen
zu, die das Land verlassen mussten. Heute, gerade heute in
der zerrissenen Welt, soll mein Herz offen sein für die Kraft,
die von der Lebendigen kommt, damit ich die Augen offen
halten kann für die Menschen, die leiden. Denn ihre Tränen
sollen abgewischt werden. Vielleicht ist das die Erkenntnis,
dass Gott da ist, bei den Menschen und mit ihnen auf dem
Weg, auch wenn wir diesen nicht immer verstehen. Es geht
um die Erkenntnis im Herzen und den daraus entstehenden
Mut, am Glauben an das Leben festzuhalten.
Danke, Gott des Lebens, für dein Mitunssein.

Von: Madeleine Strub-Jaccoud

21. Juli

Als sich die Stimme der Trompeten, Zimbeln und
Saitenspiele erhob und man den HERRN lobte:
«Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig»,
da erfüllte die Herrlichkeit des HERRN das Haus Gottes.
2. Chronik 5,13.14

Es ist die Zeit der Vollendung. Samuel versammelt das Volk,
mit viel Aufwand wird die Lade in das grosse Tempelweihefest
getragen. Da stimmen alle Instrumente und die Stimmen
der Menschen in das grosse Lob Gottes, der Lebendigen,
ein. Die Zürcher Bibel schreibt, dass sie mit einer Stimme
gesungen haben.
Die grosse Vollendung – wo feiern wir heute die Ankunft
an einem grossen Ziel? Und vor allem: Wo feiern wir gemeinsam,
dass wir angekommen sind, und gedenken mit einer
Stimme der Lebendigen und ihrer Zuwendung?
Wer sehnte sich nicht danach, gemeinsam den Frieden zu
feiern? Das Volk war auf dem Weg aus der Gefangenschaft
unterwegs und ist auf dem Weg geblieben, immer auch mit
Rückschlägen und Zweifeln. Es ist angekommen und feiert
die Lebendige, die immer mit ihrer Zuwendung mit den Menschen
unterwegs war. Und sie ist es auch heute; auf dem Weg
von uns allen zum Frieden. Lassen wir uns nicht abbringen
vom Ziel und bitten wir die Lebendige, mit uns zu sein, damit
die Menschen bald den gerechten Frieden feiern können.
Stärke du unser Vertrauen in den Weg und lass uns das Ziel
nicht aus den Augen verlieren.

Von: Madeleine Strub-Jaccoud

20. Juli

Bei Gott ist mein Heil und meine Ehre. Psalm 62,8

Der erste Vers dieses Psalms war es, den meine über alles
geliebte Grossmutter jeden Tag betete: «Zu Gott allein
ist meine Seele still, von ihm kommt Hilfe.» Sie hatte ein
gutes, aber auch ein schwieriges Leben. Es war für mich als
Kind eindrücklich, ihre Stille zu erleben. Nie hat sie geklagt,
wenig hat sie erzählt, teilgenommen hat sie mit Freude und
Engagement an allem, was bei uns so lief. Daran denke ich
mit Dankbarkeit. Natürlich habe ich überhaupt nicht verstanden,
was gemeint ist mit jenem Satz. Aber es war jene
gefüllte Stille, die mich mitnahm. Es wäre mir auch nie in den
Sinn gekommen, nachzufragen. Und so geht es mir jetzt mit
dem heutigen Losungswort. Ein Vertrauen in Gott lese ich
daraus, eine Sehnsucht nach Heil. Es ist, als ob der Schreiber
des Psalms anstürmt mit seinem Glauben an die Lebendige,
anstürmt gegen Menschen, die Böses wollen: «Wie lange
wollt ihr noch morden?» (Vers 4) In einem Kommentar
lese ich zu diesem Psalm, er sei eine «Glaubensbastion». Ich
mag diesen militärischen Begriff nicht. Aber er drückt jenes
Festhalten an der Überzeugung aus, dass Gott, die Lebendige
und Ewige, Heil bringt, Heil den Menschen. Wir sehnen
uns nach dem Heilwerden unserer Welt, sehnen uns nach
Gerechtigkeit und Frieden. Die Sehnsucht genügt nicht. Es
braucht das Festhalten an der Überzeugung, dass die Lebendige
auf der Seite der Menschen und da ist für sie.

Von: Madeleine Strub-Jaccoud

22. Juni

HERR, gedenke doch an deinen Bund mit uns und
lass ihn nicht aufhören!
Jeremia 14,21

Es herrscht eine Dürre im Land. Kein Gras wächst, die Tiere
verhungern, alles ist leblos geworden. Jeremia erzählt Gott
davon, verzweifelt. Und immer wieder die Schuld, immer
wieder die falschen Propheten. Die Bitte um die Erinnerung
an den Bund, den Gott mit Mose geschlossen hat,
soll Gott davon überzeugen, Hilfe zu bringen. Aber Jeremia
bittet nicht konkret um Regen. Er bittet darum, dass Gott
den «Bund nicht aufhören lässt». Er bittet um die Lebendigkeit
der Beziehung zu Gott, der Lebendigen, bittet um
Erhalt der Zuwendung. Und das ist gerade das Schwierige:
Einerseits können wir der Lebendigen alle unsere ganz konkreten
Anliegen, unsere Bitten, auch die Bitte um Regen in
Somalia anvertrauen. Wir lernen aber auch, dass wir damit
unsere Beziehung zu Gott leben und ihm und ihr die Erfüllung
unserer Bitten überlassen müssen. Die Erinnerung an
den Bund lässt auch uns heute zuversichtlich sein. Denn
Gott, die Lebendige, wird ihn nicht vergessen. Das Leben,
Sterben und Auferstehen Jesu sind dafür der grosse, lebendig
machende Beweis. Darum: Hören wir nicht auf, um Regen
zu bitten. Setzen wir uns aber gleichzeitig mit aller Kraft
dafür ein, dass dem Klimawandel unser Verzicht und unser
erneuerter Lebensstil entgegengesetzt werden. Denn die
Erinnerung an den Bundesschluss soll uns ermutigen und
uns Kraft schenken.

Von: Madeleine Strub-Jaccoud