Unsre Abtrünnigkeit steht uns vor Augen,
und wir kennen unsre Sünden: abtrünnig sein
und den HERRN verleugnen. Jesaja 59,12–13
Abtrünnigkeit. Abtrünnig sein. Oder anders gesagt: untreu
werden. Sich absondern und flüchten. Vom Glauben abfallen.
Heimatlos werden. Abtrünnigkeit. Was hat dieses Wort
mit mir zu tun? Schon steht mir ein Beispiel vor Augen.
Als frischgebackene Pfarrerin besuchte ich mit meinem
Mann und einem befreundeten Paar einen Tanzkurs. Wenn
der Tanzlehrer mit einer der Kursteilnehmerinnen eine Figur
vorzeigte, fragte er als Erstes nach ihrem Beruf. Also entschied
ich mich kurzerhand, für die Dauer dieses Kurses
Verkäuferin zu sein, und bat meinen Mann und das andere
Paar, mich darin zu unterstützen. Ich wollte mir fragende
Blicke und Diskussionen über Sinn und Unsinn von Glauben
und Kirche ersparen. Dass ich mit dieser Lüge nicht nur
Gott, sondern auch mich selbst verleugnete, wurde mir erst
später klar. Ich habe etwas gelernt. Über das Tanzen hinaus.
Bis heute.
Ich fülle ein Formular aus vor einem chirurgischen Eingriff.
Beim Beruf zögere ich. Pensioniert oder Pfarrerin? Ich entscheide
mich für Pfarrerin. Damit jene, die für mich sorgen
werden, wissen, dass ich daran glaube, dass für mich gesorgt
ist. Über diesen Eingriff hinaus. Ich entscheide mich für Pfarrerin.
Damit auch ich nicht vergesse, was ich glaube.
Von: Ruth Näf Bernhard