Gamaliel sprach: Lasst ab von diesen Leuten und
lasst sie gehen! Denn wenn das, was hier geplant und
ins Werk gesetzt wird, von Menschen stammen sollte,
dann wird es zerschlagen. Wenn es aber von Gott
kommt, dann werdet ihr sie nicht aufhalten können.

Apostelgeschichte 5,38–39

Im Hohen Rat in Jerusalem ist die Stimmung aufgeheizt.
Mehrmals sind die Wortführer dieser neuen Sekte ins Gefängnis
gesteckt worden, und kaum sind sie frei – man weiss
nicht, wie –, predigen sie wieder im Tempel, trotz Redeverbot.
«Als sie [im Hohen Rat] dies hörten, wurden sie rasend vor
Zorn und wollten sie töten.» (Apostelgeschichte 5,17–42)
Erstaunlich, mit welcher Gelassenheit Gamaliel argumentiert.
Erstaunlich, dass der Rat ihm folgt.
Zürich 1525: Die Reformation ist seit drei Jahren beschlossene
Sache, und hier nimmt auch die Täuferbewegung ihren
Anfang. Den Revoluzzern geht Zwingli zu wenig weit. Sie
halten sich kompromisslos an die Bibel, taufen Erwachsene,
widersetzen sich der Autorität des Staates. Wie ist mit ihnen
umzugehen? Jetzt hätte der Zürcher Rat einen Gamaliel
nötig gehabt. In den folgenden hundert Jahren werden die
Täufer vertrieben, eingesperrt, getötet. Viele wandern aus
nach Holland oder Amerika, wo sie geduldet werden.
Am Auffahrtstag, 29. Mai 2025, haben sie in Zürich (!) fünfhundert
Jahre weltweite Täuferbewegung gefeiert. Es gibt sie
immer noch, Gamaliel hat recht behalten.

Von: Dorothee Degen-Zimmermann