Die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Jesaja 58,7
Der letzte Teil des Jesajabuchs geht von der befreienden Erfahrung aus, dass Juden aus dem babylonischen Exil nach Jerusalem zurückkehren konnten. Hier bauten sie nicht nur die Häuser der Stadt wieder auf, sondern richteten auch den Gottesdienst und das Leben nach den Geboten neu ein. Regeln, wie und an welchen Tagen man fasten sollte, waren ein grosses Thema. Das Kapitel 58 gibt dazu einen Diskussionsbeitrag: Könnte man das Fasten auch ganz anders verstehen? Im Vordergrund steht nicht der Verzicht auf Nahrung. Sondern es geht vor allem darum, eine neue Zuwendung zu den Mitmenschen einzuüben, die von Mitgefühl und Barmherzigkeit geprägt ist. Wie begegnet man denjenigen Menschen, die sich wegen ihrer Bedürftigkeit in einer schwächeren Position befinden und auf die Mitmenschlichkeit von anderen angewiesen sind? Gerade für sie müsste es möglich sein, in ihrer Notlage eine befreiende Erfahrung zu machen. «Bedeutet das Fasten nicht: für den, der Hunger hat, dein Brot brechen. Arme, die heimatlos sind, lässt du ins Haus kommen. Wenn du einen siehst, der keine Kleider hat, deckst du ihn zu.» Eine sehr ähnliche Aufzählung findet sich im Neuen Testament (Matthäus 25,35 f.). Das Losungswort zeigt: Die «Werke der Barmherzigkeit» sind keine christliche Erfindung, sondern haben ihre ursprüngliche Heimat im Judentum.
Von: Andreas Egli