Gott hat sein Volk nicht verstossen,
das er zuvor erwählt hat.
Römer 11,2

Schon in ihrer ersten Lebenshälfte, in der Zeit des Ersten Weltkriegs, machte sie sich – verbunden mit Menschen wie Martin Buber oder dem Anarchisten Gustav Landauer –unaufhörlich Gedanken, was ihre Rolle als Jüdin und als Frau in diesem Deutschland sei. Woran war der Wille Gottes im Krieg und in den Revolutionen erkennbar? Wozu könnte er jüdische Menschen in diesen grossen Umbrüchen auserwählt haben? Die Religionsphilosophin Margarete Susman liessen diese Fragen nach der Shoah, der sie durch Flucht früh entkommen war, in ihrer kleinen Dachstube in Zürich erst recht nicht mehr los.
Als alte Frau, der Kalte Krieg war bereits im Gang, ein
Staat Israel entstanden, schrieb sie zum Schicksal des Volkes Gottes: «Diese Erwählung wird verständlich allein im Lichte des Glaubens an das Kommen des Reiches, die eins ist mit dem Glauben an die Gerechtigkeit, deren Verwirklichung Israel verheissen und zu der es aufgerufen ist.» Sich erwählt wissen würde dann also bedeuten: vorangehen im
Glauben – und im alltäglichen Kämpfen – für Gerechtigkeit für alle. Teilnehmen an der Revolution Gottes, wie sie auch sagte. Es anders machen als die Mächtigen der Welt. Und daran schliesst für die Jüdin sogar ausdrücklich – wie für Paulus –
auch die Botschaft Christi an.

Von: Matthias Hui