Du hast meine Seele vom Tode errettet,
meine Füsse vom Gleiten, dass ich wandeln kann
vor Gott im Licht der Lebendigen.
Psalm 56,14

Der Psalm wird David zugeschrieben, versehen mit dem
Zusatz «als ihn die Philister in Gat ergriffen hatten»
(Vers 1). In den entsprechenden Passagen im 1. Samuelbuch
(Kapitel 21 ff.) wird von gewalttätigen Kämpfen und
blutigen Auseinandersetzungen erzählt, von List und Betrug,
die Davids Weg auf den Königsthron säumen. David, der
Dichterkönig, der gerne mit Harfe dargestellt wird, zieht
(auch) eine Spur der Gewalt hinter sich her. Die Diskrepanz
zwischen diesen beiden Seiten Davids wird in den biblischen
Büchern nicht aufgelöst. Klarsicht geht vor Harmonie! Das ist
anstrengend und anstössig und manchmal kaum auszuhalten.
Genauso wie die Diskrepanzen in unserer Welt.
«Du hast meine Seele vom Tode errettet, meine Füsse vom
Gleiten, dass ich wandeln kann vor Gott im Licht der Lebendigen.
» – Was für eine Erfahrung angesichts der im Psalm
geschilderten Not und Bedrängnis, von Flucht und Verfolgung,
von Lebensgefahr und Todesangst? «Du hast meine
Seele vom Tode errettet …!»
Die heutige Losung lädt mich ein, meine eigene Erfahrung
von Bewahrung in den Psalm einzutragen, meine eigenen
Worte zu finden. Und ich entdecke in den Diskrepanzen
meines Lebens und dieser Welt «güldene Kleinode» (Vers 1),
die mein Leben hell machen und meine Hoffnung nähren.

Von: Annegret Brauch