Ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als sonst tausend.
Psalm 84,11
Man könnte meinen, der Psalmist übertreibe hier ganz
schön. Aber vielleicht geht es ihm hier nicht so sehr um eine
numerische Abwägung, sondern um eine Beziehungsfrage.
Tausend Tage, die er sonst verbringt, bringen ihm nicht das
Gefühl von Nähe zu Gott wie ein Tag im vordersten Vorhof,
also weit entfernt vom Allerheiligsten.
Gottes Nähe spüren, ersehnen. Kennen wir das? Wie geht
es mir, wenn ich mich im Gottesdienst meiner Gemeinde in
die «Vorhöfe» geistlicher Gemeinschaft mit Gott begebe?
Gelingt mir Nahsein? Manchmal hilft mir die Musik, in der
verschiedene Komponisten sich dieses Psalms angenommen
haben. So Schütz, Telemann, Brahms. Aber was der Psalmist
mit seinem Zahlenspiel ausdrücken will, kommt dort kaum
vor. Der Gottesdienst mag helfen, aber der Alltag? Viele
Tage laufen bei mir einfach so dahin. Wenige sind besonders
sinnerfüllt.
Ich lebe meinen Alltagstrott. Aus tausend Tagen
ist der eine Tag hervorgehoben, den ich in der Nähe Gottes,
im Wissen und im Handeln mit Gottes Inhalten und Werten
verbringe. Hier bringt mich mein Glaube in Gottes Vorhof.
Vor einiger Zeit war ich in Iona, jener Kirche, wo sich
seit vielen Jahren Menschen in Gottes Vorhof versammeln
und in Lob und Praxis üben. Das, was ich an Spiritualität,
Gemeinschaft und Nähe dort erlebte, entspricht vielleicht
dem Überschwang des Psalmisten.
Von: Gert Rüppell