Ihr sollt richten ohne Ansehen der Person,
den Kleinen sollt ihr anhören wie den Grossen,
und ihr sollt euch vor niemandem fürchten,
denn es ist Gottes Gericht. 5. Mose 1,17
Zu Beginn seiner Abschiedsrede ruft Mose die Erfahrungen
und Stationen der langen Wanderung durch die Wüste noch
einmal in Erinnerung. Dazu gehört auch die Einsetzung von
fähigen Leuten als Richter:innen für das Volk. Sie sollen Mose
entlasten und Mitverantwortung für ein gerechtes und gutes
Miteinander übernehmen. (vgl. auch 2. Mose 18)
Ein modernes Beispiel für solche Mitverantwortung sind
vielleicht die sogenannten Schülergerichte. Dort urteilen
Jugendliche über Jugendliche, die Straftaten begangen
haben, und ersetzen in vielen Fällen eine Verhandlung vor
dem Jugendrichter. Die Erfahrungen sind weitgehend positiv,
die Rückfallquote ist deutlich geringer, dazu kommt eine
Entlastung der Gerichte. Die Gründe: Gleichaltrige begegnen
einander eher auf Augenhöhe; sie kommen leichter ins
Gespräch, auch über die schwierigen Fragen; zudem können
sich jugendliche «Richter:innen» besser in Lebenssituation
und Lebenswelt der straffällig Gewordenen hineinversetzen.
Ein Grundsatz: «Wir akzeptieren dich als Mensch, lehnen
aber die Tat massiv ab.»
«Die Person» wird dabei sehr wohl gesehen, aber ohne
sie zu bewerten, ihre Würde wird geachtet. Ermöglicht wird
so, Schuld anzuerkennen und Verantwortung für das eigene
Tun zu übernehmen.
Von: Annegret Brauch